Kriegstriebirrtümer

Kriegstriebirrtümer

„Allen Menschen ist zuteil,
sich selbst zu erkennen und verständig zu denken“
Heraklit aus Ephesus, um 520 – 460 v. Chr.
„Die Fragmente der Vorsokratiker“. Hermann Diels.
1. Band, Berlin 41922, S. 77-102

Es geht um Krieg oder Frieden

nicht darum wer stärker und besser ist,
wer recht hat, wer anerkannter ist oder werden will
und wer mehr MACHT hat etc. …

Entspannungspolitik
– wie von Willy Brandt –
oder Konfrontation, Konkurrenz, Projektions-Hass und -Rache …
bei Anwendung von Gewalt
sind Deeskalation und Entspannungspolitik notwendig

nicht Eskalation durch Schuldzuweisungen
und Drohungen und Strafen

Verwechslung von Ursache und Wirkung,
„die eigentliche Verderbnis der Vernunft“
(Nietzsche)
nicht der Krieg ist der Anfang des Krieges
sondern der Weg zum Krieg …

Frieden ist bekanntlich nicht das Ziel, sondern der Weg
„Es gibt keinen Weg zum Frieden, Frieden ist der Weg“
Mahatma Gandhi

insofern Solidarität mit Opfern und Flüchtlingen –
grundsätzlich immer mit Opfern von Krieg, Armut etc. –
und
Waffenlieferungen welche Krieg bekanntlich schüren und eskalieren durch Entspannungspolitik ersetzen

Allen Segens Anfang heißt Besinnung,
was der Götter ist“
– 2022 der Menschen! –
„entweihe keiner!“
Sophokles, „Antigone“, 441 vuZ.

Kurzüberblick über kulturgeschichtliche …

Kurzüberblick über kulturgeschichtliche Entwicklungen musikalischer Variationen

Selbstschutz Musik
Kulturen der Menschheit wirken über symbolische Systeme, im Wesentlichen durch Sprachen, das menschliche Bewusstsein an sich und für sich, und dann über ihre ökonomischen Beziehungen, über ihre Liebes- und Heiratsbeziehungen und über Religionen und über Wissenschaften und schließlich über die Künste. Und unter den Künsten genießt die Kunst der Musik einen vorzüglichen Rang, als unsichtbare, ästhetische Dimension, weder redend noch bildend, welche nach substanziellen Momenten in der Liebe und in der Freude, im Unglück und im Tod sucht und dichtet und komponiert und musiziert, dirigiert und arrangiert und produziert und singt.

Am Anfang war Mangel,
Weltangst, Schutzlosigkeit und Armut und Überlebenskampf der Steinzeitmenschen. Vor etwa zwei Millionen Jahren begann das menschliche Wesen aufrecht zu gehen, wodurch der Kehlkopf sich veränderte und Voraussetzung für Gesang schuf, und ebenso veränderten sich die Nahrungsgewohnheiten, weswegen sich die Mundhöhle erweiterte und Möglichkeiten für differenzierte Laute schuf. Und seit etwa 200.000 Jahren schlägt sich der homo sapiens durch. Der Mensch begann zu singen, bevor er zu sprechen begann, denn die menschliche Stimme hat mehr Ausdrucksfähigkeiten, als für das Sprechen notwendig ist, drei Oktaven, für Sprache genügt eine halbe Oktave, eine Quinte. Gesang und dann erste Musik gehörten als Ausdrucksmittel zum Überlebenskampf und bei der Partnerwerbung. Weil Singen und Musizieren der Menschheit Nutzen verschafft, gibt es sie überhaupt und andere Künste, denn was keinen Nutzen hat, sortiert die Evolution aus. Was der Menschheit nützt: Selbstschutz gegen Ängste des Lebens – Wissen und Kreativität.
Über die so genannte Gehörspur nehmen bereits Embryos Laute wahr, und sie reagieren ruhig bei harmonischen Lauten und unruhig bei unharmonischen Lauten, wie später als Babys und Kleinkinder. Frauen reden mit ihren Babys mit höherer Stimme und mit Singsang und sie singen sie mit Liedern in den Schlaf.

Männer singen, tönen, schmettern, um ihre Kräfte und Mächtigkeit zu zeigen und somit beschützend und beruhigend auf Frauen zu wirken und zu signalisieren, dass sie potenten Nachwuchs zeugen und eine Familie erschaffen können, – in der Steinzeit wie heute. Heute sind weibliche Reaktionen bis zu Ekstasen bei Konzerten von Sängern und Musikern zu erleben. Das funktioniert auch medial über TV etc., weil Singen und Musizieren unsichtbar berührt, ohne zu berühren. Und das auch in Gemeinschaften, in weltweiten Gemeinschaften über das Internet, ohne dass die Menschen persönlich anwesend sind. Die vom jeweiligen Menschen geliebte Musik nimmt Geist und Psyche und damit Körper als Glücksgefühl auf – ein Schlager im Sinne von Erfolg, gleich welchen Musikstils.

Der Stamm des Wortes „Schlager“ ist gemeingermanisch. Am 17. Februar 1867 wurde das Wort erstmals im „Wiener Fremdenblatt“ verwendet anlässlich der Aufführung des Walzers „An der schönen blauen Donau“: „Die Eröffnungsnummer der zweiten Abteilung war ein entschiedener Schlager“.

– Bei der Weltausstellung 1867 in Paris wurden von den Verlagsdrucken unter dem Namen „Le beau Danube bleu“, insbesondere die zweihändige Klavierfassung, rund eine Million Exemplare verkauft. –

Vermutet wird, dass das Wort „Schlager“ in Wien in Anlehnung an den an sich gefürchteten „Blitzschlag“ eingeführt wurde, denn ein Schlager schlägt wie ein Blitz ein. Heute, im Zeitalter der Bomben, wird gerne bei unterschiedlichsten Gelegenheiten von Schreibenden, die nicht reflektieren, was sie schreiben, die Metapher benutzt „…schlägt ein wie eine Bombe“.

1881 wurde das Wort Schlager in der „Wiener National-Zeitung“ als Beschreibung für Gesangslieder verwendet, für Opern- und Operettenlieder und Singspiele der so genannten „Wiener-Klassik“, welche bisher als „Gassenhauer“ bezeichnet wurden, weil diese sich über die Eliten hinaus in alle Bevölkerungsschichten mit „durchschlagendem“ Erfolg verbreiteten.
Bereits gegen Ende des Mittelalters waren Trinklieder und Spaßlieder, derbe und unsittliche Lieder, Liebes- und Klagelieder, wie später in Operetten und Opern, im Volk verbreitet, auch als Kirchenlied. Die gleichsam massenhafte Verbreitung von Liedern, Schlagern wurde zusätzlich zu mündlichen Überlieferungen durch die Erfindung des Buchdrucks und somit auch des Notendrucks ermöglicht.

Das Wort Schlager wurde nun zunehmend in Musik- und Theaterkritik und -journalismus verwendet und durch die Erfindung des Grammophons und des Films verbreitet.
Schließlich ist das Wort Schlager seit Beginn des 20. Jahrhunderts zum Gattungsbegriff geworden.

Nach der Neolithischen Revolution,
zwischen 20.000 und 3.000 vor unser Zeitrechnung, je nach Region zeitlich unterschiedlich, arbeitete der Mensch für ein besseres Leben – wenn er nicht als Sklave, römischer Proletarier, später als Fronarbeiter, als Leibeigener, ab der Industriellen Revolution als Fabrikarbeiter eingesetzt wurde oder er gar ohne Arbeit war und als Bettler vegetierte.
Schließlich wurden vor etwa 12.000 Jahren Teile der Menschheit sesshaft, sie begannen neben Jagen und Sammeln mit Ackerbau und Viehzucht und bauten Häuser. In dieser Phase phantasierten sich die Menschen Fetische, Symbole, Geister, Gottheiten als übermächtige Kräfte, die ihr Leben bestimmten, sie begannen sich künstlerisch auszudrücken mittels der Herstellung von Figuren, Schmuckstücken und von Malerei an Höhlenwänden und: sie formten Töne mit dem Mund, pfiffen und sangen und schrien, und mit einem der Ruhe und Frieden vermittelnden ältesten Instrumente, der Flöte, erzeugten sie Harmonien als Beruhigungs-Äquivalent zu melodischem Summen und Singen. Die Psyche der Menschen begann zu sublimieren, Eindrücke geistig, künstlerisch, abstrakt zu verarbeiten und Ängste zu beruhigen.

Der Hirte ist seit antiken Zeiten der gute Hirte,
der auf die Wiederkunft des vergangenen „Goldenen-Zeitalters“ verweist, dem ursprünglichen Idealzustand der Menschheit, Allegorie des Glücks und des Friedens, musizierend mittels der Flöte. Der gute Hirte steht als Wächter für Humanität, gesellschaftliche Anteilnahme, Philanthropie, gilt als Symbol für Schutz und Ordnung. So ist der Hirte Hüter, Züchter und Erzieher der Einzelnen und der Vielen. U.a. wurde der legendäre sumerische König der Stadt Uruk, Gilgamesch, um 3.000 v.Chr., vom Unmenschen zum „guten Hirten“: „Das Lied ist nun zu Ende. / Der Gesang, die Musik ist verstummt; / du wolltest mich lieben, so war es doch? / Nun, Ischtar (Göttin, Himmelskönigin), du willst mich lieben?“ [Gilgamesch-Epos].

In der griechischen Antike
galt der Landstrich Arkadien als der Ort des verlorenen Goldenen Zeitalters, und das Hirtenvolk der Arkadier als Idealvolk, welches unbelastet von mühsamer Arbeit und gesellschaftlicher Anpassung in der Idylle der Natur friedlich und glücklich im Einklang mit der Natur Muße, Liebe und: Dichtung und Musik pflegte. Derart wurde in der bukolischen Dichtung, der „Hirtendichtung“ und den „Schäferliedern“, das Leben der Hirten besungen, u.a. von Terpandros, dem Römer Vergil, Theokritos, Moschos, Bion von Smyrna und in der lateinischen Bukolik von Calpurnius Siculus und Nemesian, welche wie auch Vergil einen Hymnus über den verstorbenen berühmten Hirten Meliboeus geschrieben haben, der den als Kind ausgesetzten Ödipus aufgezogen hatte. Oder z. B. Hymnen auf den griechischen Hirtengott Pan oder Bacchus bzw. Dionysos oder über die Hirten Lycidas und Mopsus. Und sogar der Gott des Alten Testaments wurde als Hirte des Hirtenvolkes interpretiert, und Jesus von Nazareth sagte von sich im Neuen Testament: „Ich bin der gute Hirte“.
In der griechischen Mythologie war Pan der Gott der Hirten, Narziss war ein Hirte, auch Paris, der wie Ödipus von den Eltern ausgesetzt und von Hirten erzogen wurde.
Der Gott Hermes, Sohn des obersten Gott Zeus, wird als Urbild des guten Hirten verehrt. Hermes ist der Bote, der den Menschen die Botschaften der Götter überbringt und diese ihnen interpretiert. Er ist nicht Kurier, sondern fordert und fördert Verständnis und Einsicht von den Menschen in die göttlichen Botschaften. Nach ihm wurde die Wissenschaft vom Erklären und Verstehen, „Hermeneutik“ benannt. Die antike Philosophie identifizierte ihn mit einer der philosophischen Hauptkategorien, dem „Logos“, der göttlich-menschlichen Vernunft.

Wie sich die Schrift als Kettenbrief und Flaschenpost über Jahrhunderte durch die Geschichte der Menschheit zieht, zieht sich auch gesungenes Lied und gespielte Musik seit der Menschwerdung durch die Geschichte, hallt der Ruf der Hirten in den Lichtungen des Seins als Echo im Ohr. In diesen alten Zeiten des beginnenden Denkens verließen sich die Denker und Redner auf ihr Gedächtnis und mündliche Überlieferungen, da es keine Bücher und keinen E-Mail-Verkehr gab. Das „Erinnernde“ und „Sinnende“ genoss höchsten Respekt in der mythologischen Konstruktion der Musen als Göttinnen der Schönen Künste, der Musik und Literatur, der Astronomie und der Geschichte und der beginnenden Philosophie. Und ebenfalls wurde Musik und Gesang mündlich überliefert, da es keine CDs und kein Radio gab.

Das Ideal des nomadischen Hirtenlebens wird gut eintausendfünfhundert Jahre später in der humanistischen Renaissance und im Barock aufgegriffen und in unzähligen Gedichten, Liedern und Gemälden bis ins 18. Jahrhundert hinein zelebriert. Und in der Epoche der Aufklärung priesen Goethe (er schrieb selber Lieder), Schiller u.a. Aufklärer Arkadien als Symbol für das Goldene Zeitalter.

Göttliche Schlager
Archäologen fanden eine 42.000 Jahre alte Flöte aus Schwanenknochen, mittels derer Lieder gespielt werden konnten wie auf einer Panflöte und auf einer Blockflöte. Und entdeckt wurden um die 40.000 Jahre alten 20 Zentimeter lange Flöten aus Vogelknochen und Mammutelfenbein auf der Schwäbischen Alb. Die Menschen hatten mehrere Löcher in die Knochen geschnitten und angeschrägt. So konnten mehrere Töne, aber auch Obertöne erzeugt werden, so dass jedes Lied gespielt werden konnte.

Musikalische Ausdrucksweisen und Instrumente erfanden die Menschen, noch bevor im Neolithikum Weben, Spinnen, Sticken, Töpfern, der Schirm als Schutz vor Sonne, Kochen und Würzen von Speisen, Werkzeuge und Waffen, der Spiegel, das Rasiermesser, Schmuck, Öl-Pressen und -Lampen, der Pflug, die Uhr, das Rad und die Schrift erfunden wurden.

Noch vor der Erfindung der Flöte gab es die Trommel,
das bis heute magische Instrument, die leicht zu bauen und vorbildlich auch als Hohlkörper in der Natur vorhanden war, man musste nur mit Händen, Holzstäben und Knochen immer wieder und unaufhörlich darauf schlagen und dazu Rhythmen und Melodien mit Händeklatschen begleiten und mit dem Mund summen und pfeifen und schreien und singen und dazu tanzen und schließlich mit weiteren Instrumenten wie Rasseln, Schwirren, Pfeifen begleiten: der Anfang des Schlagers, Gassenhauers, Ohrwurms, Hits.
Wie oben gezeigt entstand das Wort „Schlager“ um 1870 im Wien der Operetten. Vorherige Bezeichnungen für alltäglich gesummte, gepfiffene und gesungene Lieder waren „Gassenhauer“ und „Straßenlied“. Weil Operetten und Singspiele und deren Lieder einen „durch-schlagenden“ Erfolg, „eingeschlagen“ hatten und so zum Verkaufs-Schlager wurden, erkannte man Musik als vermarktbaren Wirtschaftsfaktor: Konzerte, Straßenaufführungen, Notenblätter mit Texten.
Schlager, Gassenhauer, Ohrwurm, Hit, Evergreen, Klassiker bis hin zu Ekstasen kultischer Riten von so genannten heidnischen Völkern über Naturreligionen, Mythologien und die großen Religionen und Weltanschauungen in Antike, Mittelalter und Neuzeit bis hin zur Moderne und den modernen Fans (lateinisch fanaticus), sakralisierter Stars und deren Erscheinung und Performance in Stadien und Messehallen.

Später kamen ein- und mehrseitige Zupfinstrumente
und schließlich Lyra und Harfe hinzu, und zur Zupfmusik wurde auch gesungen. Und ab welcher Zeit Menschen komponierten und dazu Noten und Liedtexte dichteten, verweist auf Funde in Ägypten um 4.300 v. Chr. Der Liedtext ist dargestellt mit Figuren Sängerinnen und Musikern und handelt von der Liebe und Schönheit einer Frau. Und es gab Männer, vielleicht auch Frauen, welche Rhythmen und Tonvariationen arrangierten und dirigierten und als Lied und Vorführung produzierten.

Und 1.400 v. Chr. fanden Archäologen in der antiken Stadt Ugarit in Syrien Komposition und Textdichtung für ein Lied auf Tafeln in Keilschrift geschrieben, eine Hymne an die sumerisch-akkadische Mondgöttin Nikkal, mit Anmerkungen für eine neunsaitige Leier, Harfe, die „Sammûm“ genannt wird; Intervalle und der Refrain wurden auch vermerkt.

In der griechischen Mythologie stellte der Götterbote Hermes am Tag seiner Geburt aus dem Panzer einer Schildkröte die Leier her. Hirtenflöte, auch Panflöte genannt nach dem antiken griechischen Gott der Hirten, und Zupfinstrumente galten dem Ausdruck der menschlichen Verbundenheit mit der Natur, der Einsamkeit und der Sehnsucht nach Liebe. Klagen über Armut, Krankheit, unerfüllte Liebe und Trost werden später, insbesondere bei Johann Sebastian Bach, Themen der Konzerte für Orgel werden, deren Vorläufer die Panflöte ist. Und Orpheus, Sohn der Musen, war Schöpfer der Musik und des Tanzes. Als Sänger und Lautenspieler soll er Götter und Menschen, Tiere und Pflanzen und sogar Steine zum Weinen gebracht haben.

Der Gott der Schreibkunst war im alten Ägypten auch der Schöpfer der Musik.
In der hinduistischem Religion ist Brahma Gott der Sprache und Schöpfer der Musik. Auch Gott Krishna ist Hirte und spielt Flöte.

Griechische Musik und indische Musik glichen sich in einheitlicher Tonkunst, Sprache, Tanz und Gestik und wurden als eine Art von Theater angesehen – wie die ZDF-Hitparade.

In der chinesischer Mythologie hat ein Wundervogel den Menschen die Tonleiter geschenkt.

Bei den Azteken stammt die Musik von der Sonne. In den Ursprungsmythen der Völker ist Musik Werk von Göttern, Geistern und übernatürlichen Personen und Wesen. Schamanen und Medizinmänner agierten mit ihren Gesängen und Rhythmen sowohl zur magischen Vertreibung von Dämonen als auch zur Vermittlung von Freude und Glück bis hin zu Ekstasen.
Künste, Musik wirken rituell und symbolisch als Selbstschutzsystem und verleihen Immunität.

Mittelalter macht Minneschlager
Nach der prähistorischen Musik und Musik des Altertums folgte die Musik des Mittelalters im 8. bis 15. Jahrhundert, dann die Renaissancemusik im 15. und 16. Jahrhundert, die Barockmusik um 1600 bis 1750, und die Klassik um 1730 bis 1830 und die „Wiener Klassik“ und dann die Musik der Romantik im 19. Jahrhundert und schließlich die Neue Musik im 20. und 21. Jahrhundert: Impressionismus, Expressionismus, Atonale Musik, Neoklassizismus, Wiener Schule, Oldtime-, Klassischer-, Modern- und Free-Jazz und  Schlager- und Rockmusik u.a.

Bis es nach der Musik der Antike zu Bach und Renaissance-Musik kam,
verbreitete die so genannte Zeit des „finsteren“ Mittelalters ihre helle und bunte musikalische Pracht der nachrömischen Rittertradition. Troubadoure und Minnesänger sangen Minnelieder mit lyrischer Erzählkunst von höfischer Liebe und unerfüllter Sehnsucht. Im strahlend hellen und farbigen und duftenden Südfrankreich wirken die ersten Troubadoure, darunter Wilhelm IX. von Aquitanien, 1071-1126, welcher als erster weltlicher Lyriker des Christlichen Abendlandes in einer Volkssprache dichtete, nicht im Herrschafts-Latein.

Die „hohe Minne“
war Werbelied und Minnegesang des Mannes an eine Frau, auch umgekehrt, als Monolog und als direkte Ansprache an die Auserwählte und in anderen Arten der Ansprache. Walther von der Vogelweide brach dann mit der hohen Minne und erfand das so genannte „Mädchenlied“, auch niedere oder erreichbare Minne genannt. Im „Kreuzlied“ wird der Kreuzzug als Dienst an Gott besungen. Kriegs-, Marsch- und Friedenslieder gab es seit der Antike. Und schließlich wurden „Naturlieder“ als Mai-Lied, Sommerlied und Winterlied gesungen.

Instrumentiert wurde die Minne mittels Harfe, „Fidel“, eine Vorform der Violine, die Drehleier und Blasinstrumente wie Flöte, Schalmei, Fanfare.
Die Minnezeit war eine bunte Schlagerwelt, deren Lieder vom Volk gesungen wurden, Gassenhauer und später in „Singspielen“ auf Bühnen inszeniert.
Das berühmte germanische „Hildebrandslied“ ist ein Heidenepos mit Vater-Sohn-Konflikt aus dem 9. Jahrhundert.
Und die „Carmina Burana“ sind eine Sammlung von 254 mittellateinischen, mittelhochdeutschen, altfranzösischen und provenzalischen Lied- und Dramentexten aus dem 13. Jahrhundert, Liebes- und Trinklieder, Klagegesänge und geistliche Hymnen, Schlager, die bis heute gespielt und gesungen werden.

Nach dem Neolithikum und der Antike gehören nun auch die im Mittelalter organisierte Arbeit und Kulturentwicklung zusammen. Die Arbeit der Bauern, Handwerker und Händler wurde von den beiden herrschenden Ständen der Dreiständegesellschaft, dem Klerus und dem Adel, dringend benötigt. Arbeit wurde nun als „ehrliche“ Arbeit gefordert und gnädig `erlaubt´, zur Versorgung des Adels und des Klerus.

So lebte man das Mittelalter hindurch arbeitend und mehr oder weniger hungernd und in elenden und bescheidenen Verhältnissen, und der Klerus betend und versorgt lebend, und der Adel feiernd, kämpfend und versorgt lebend. Und es gab einen inoffiziellen vierten Stand: Bettler, Prostituierte, Zuhälter, Diebe, Verbrecher, – und: Bettler, fahrendes Volk, arme Künstler, Musiker. Derart wurde erstmals das große Thema soziales Milieu konstruiert. Kontrollen, Disziplinierung, Repressionen, Verdacht wurden gegen die Armen eingeführt. Die Bürokratisierung und Pädagogisierung gleichsam des Volkes wurde organisiert, aus Armenfürsorge wurde Erziehung zur Arbeit, Arbeit wurde als Rezept gegen Armut definiert, und wer keine Arbeit hatte, oder als fahrendes Volk umherzog, statt einen festen Wohnsitz zu haben, war verdächtig und galt als arbeitsscheu oder gar kriminell. Diese gesellschaftlichen und mentalen Veränderungen wurden von den musikalischen, bildenden und literarischen Künsten verarbeitet in Liedern und Tänzen, im Bettlerspiegel, Scharlatanspiegel, Jahrmarktstheater etc.

Nachdem Armut in der bisherigen Menschheitsgeschichte
als eine Art naturgegebener oder gottgewollter Zustand hingestellt worden war, wurde im Übergang vom Spätmittelalter zum Industriezeitalter Armut als strukturelle Massendisposition im gesellschaftlichen Gefüge organisiert. Breite Bevölkerungsschichten wurden vom wachsenden Finanzkapital und Produktionsreichtum abgehängt.
Im 17. Jahrhundert entsteht der Begriff „Erfolg“, den es bis zum Ende des Mittelalters nicht gab. Mit dem aufsteigenden Bürgertum beginnt Konkurrenz, Männer sind nun erfolgreich oder nicht. Statt erfolgreich aus Gottes Gnade zu sein, ist man es nun durch ökonomischen Erfolg.

Der Begriff „Profit“ wird allgemein und bis dahin gebraucht für etwas, das nützlich für die Seele und die Entwicklung des Menschen ist. Erst hundert Jahre später wird der Begriff gepriesen, um einen einseitigen ökonomischen Vorteil zu bezeichnen.
Eine frühkapitalistische Wirtschaftsweise bricht durch, eine ökonomische Epoche, in der das Bürgertum der Städte im Bund mit dem absolut herrschenden König versucht, den ritterlichen Feudalismus zu zerstören, wie seit dem 13. und 14. Jahrhundert bereits angebahnt in Handwerkeraufständen in Italien.

Insbesondere das Handelskapital verstärkte seine unternehmerischen Anstrengungen, die erste Bank wurde von den Medici in Florenz gegründet, Manufakturen/gewerbliche (Gross-) Betriebe setzten sich neben den Handwerks-Kleinbetrieben durch, – ein offener Weltmarkt begann als frühkapitalistische Warenwirtschaft. Da Italien der Ort war, an dem die wirtschaftlichen Fesseln der Feudalzeit zuerst gesprengt wurden, ist Italien der Geburtsort der Renaissance.

Die neue Zeit der Renaissance
dann war nicht einfach eine Wiedergeburt alter Zeiten, der Antike, keine Wiederholung, vielmehr war es eine Neugeburt von Gedanken, die den Menschen noch nie in den Sinn gekommen waren, und ein Durchbruch wissenschaftlicher und künstlerischer Gestalten, wie sie bisher nicht auf der Erde zu sehen waren.
Zweierlei Neues entsteht so: Das Bewusstsein auf Basis der individuellen kapitalistischen Wirtschaftsweise als Überwindung der ständischen Wirtschaftsweise mit geschlossenem Markt und das Bewusstsein offener Weite gegenüber dem geschlossenen Weltbild der feudal-theologischen Gesellschaft.
Die Renaissance ist das Zeitalter der Erfindungen neuer Produktionsmittel und damit der Erfindung seiner selbst, des individuellen Bewusstseins, von individuellen Kräften, die bisher nicht entfaltet waren.

So spiegelt sich das Individuum im gesellschaftlichen Überbau und in künstlerischen Schlagern, Bestsellern, Hits, Klassikern:
Im Theater siegt das Charakterdrama über die höfischen Rollentypen. Insbesondere bei Shakespeare erscheint die unverwechselbare Person, statt der gleichmäßigen höfischen, bürgerlichen und bäuerlichen Menschen. Der einzelne Mensch bekommt ein individuelles Gesicht und Profil.

Geographisch ist es das Zeitalter der Entdeckungen der Ferne, u. a. Kolumbus und Magellans Erdumseglung.

Kosmologisch stellte Kopernikus das heliozentrische Weltbild gegen das geozentrische. Dass die Erde sich um die Sonne dreht, hatte bereits um 400 v. Chr. der antike Philosoph Archytas von Tarent formuliert. Und der französische Mathematiker Nikolaus von Oresme hatte ebenfalls diese Entdeckung gemacht und sie besser durchgerechnet als Kopernikus.

Dementsprechend entdeckt die Malerei ebenfalls die Weite und die Tiefen-Dimension, die Perspektive. Nach dem Mittelalter wandte sich der Blick endlich ab vom Jenseits der Hölle und des Paradieses hin ins Diesseits, um das Unendliche als offene Ferne zu suchen. Es entstand die Tiefe der dritten Dimension als Bildraum und Durchdringung der Natur. Der Beschauer blickt in die Tiefe des Raums durch ein offenes Fenster, ist selber in der offenen Szene. Solche stillen Bilder entstanden sowohl als Landschaften wie als Portraits – so bei da Vinci, Piero della Francesca, Jan van Eyck.

Musikalisch nimmt das geistliche Lied
eine dominierende Stellung seit dem frühen Mittelalter ein, kirchliche Lieder der christlichen Gebete, Liturgie und Riten, und der Lehren von Mystikern und Mystikerinnen.

Der Mystiker Meister Eckhard, 1260-1328, ersetzte das griechische Wort Ekstase aus den Zeiten der Lieder und Tänze um Apollon und Dionysos durch die deutschen Wörter „Verzückung“ und „Entzückung“.
Theresa von Avila, 1515-1582, versuchte den Unterschied in der religiösen Ekstase zwischen geistlicher und körperlicher Hingabe zu egalisieren: „Es gibt nur eine Liebe“, eine Stufenfolge von der „Vereinigung“ über die „Verzückung“ bis hinauf zur „Liebeswunde“.

Mystikerinnen beschrieben ihre ekstatischen Erfahrungen oft erotisch, so Mechthild von Magdeburg, 1210 – 1285, in ihrer Schrift „Ein fließendes Licht der Gottheit“: „O Du gießender Gott in Deiner Gabe! / O Du fließender Gott in Deiner Liebe! / O Du brennender Gott in Deiner Begier! / O Du schmelzender Gott in der Einigung mit Deiner Geliebten! / O Du ruhender Gott an meinen Brüsten, ohne den ich nicht sein kann!“ Mechthild schrieb als erste in deutscher Sprache, gehörte zur freiwilligen asketischen und Armutsbewegung von Frauen, die entsprechend dem Evangelium die Einheit von Gottesliebe und Nächstenliebe lebten. In ihrem Buch prangerte sie den Reichtum des Klerus an.

„Die Mitteilungen Gottes sind unfehlbar, wenn die Seele alles Bildes leer ist und im Vergessen aller geschaffenen Dinge steht; aber sie sind zweifelhaft, wenn sie durch Einbildungen wirkt und die Empfindsamkeiten sucht oder etwas anderes, was nicht in bloßer Weise Gott ist. Die Heiligen selbst haben in diesem Punkte geistige Eitelkeiten begangen, durch Visionen, Stimmen, Ekstasen und andere Empfindsamkeiten, zu denen die Einbildungskraft beiträgt“, Antoinette Bourignon de la Porte, 1616-1680, „Mystische Zeugnisse aller Zeiten und Völker“, gesammelt von Martin Buber, Hrsg. Peter Sloterdijk.

„Ach, wer das sehen könnte! Ein großer, feuriger Engel schwebte vom Throne Gottes nieder über die Stadt Palermo, wo der Aufruhr herrscht, und sprach Worte der Züchtigung, und ich sah unten in der Stadt Menschen tot niederfallen“. Anna Katharina Emmerich, 1774 – 1824, Deutsche Nonne und Mystikerin, „Visionen über die Engel, die armen Seelen im Fegefeuer, die streitende Kirche.“ Aus den Tagebüchern von Clemens Brentano.

Auch der deutsche Ekstatiker Jakob Böhme verband Frömmigkeit und Erotik: „Die züchtige Jungfrau … wird dich führen zu deinem Bräutigam, der den Schlüssel hat zu den Toren der Tiefe … der wird dir geben von dem himmlischen Manna zu essen: das wird dich erquicken und du wirst stark werden und ringen mit den Toren der Tiefe. Du wirst durchbrechen als die Morgenröte“.

Geistliche Lieder waren Schlager und Gassenhauer schlechthin.
Text war bei den sakralen Gesängen des Mittelalters das Hauptmerkmal der Musik: Gregorianik, Psalmengesang, Messgesänge, christliches Lied, Singen im Kanon, Orgel als Hauptinstrument, Bußakte mit Lied, Kyrie und Credo und Fürbitten und Gloria, Ruf zum Evangelium und Antwortgesänge, Sanctus, Begleitgesänge bei Einzug der Priesterschaft, der Gabenbereitung und der Brotbrechung und beim Kommuniongang etc., geistlicher Schlager auch als Spiritual-Blues, Jazz, Rockmusik etc.

Lieder wurden Solo, im Chor und von der Gemeinde gesungen, als lateinischer liturgischer und außerliturgischer volkssprachiger geistlicher Gesang. Und das geistliche Lied umfasst in seinem breite Typenspektrum von privater Frömmigkeit bis zur Liturgienähe, vom Liedgut kirchlicher und nichtkirchlicher Gemeinschaften bis zum Repertoire von Kirchengemeinden sowie höfischen Gesellschaften, stadtbürgerlichen Bildungsschichten und Meistersingergesellschaften, Wallfahrts- und Pilgerlieder.

Bachs „Jesus bleibet meine Freude“; Händels „Hallelujah“; Bizets „Agnus Dei“; Mozarts „Laudate Dominum“, „Ave ve-rum“, „Gloria“; „Ave Maria“ von Schubert und von Donizetti und von Bach und Gounod; Gounods „Credo in unum Deum“; Francks „Panis angelicus“; Beethovens „Gloria in excelsis Deo“, „Die Himmel rühmen“, „Kyrie“; Bruckners „Te Deum“, „Sanktus“ u.v.a.

Zahlreiche Schallplatten, Tonkassetten und CD´s wurden und werden im 21. Jahrhundert produziert mit der Bezeichnung „Schlager“ für geistliche Musik, z.B.:
„Weltbild“ produzierte die CD: „Lobet den Herrn – Die 40 schönsten religiösen Schlager & Volksmusik-Hits (exklusive Version)“.

Label: „TELAMO Musik & Unterhaltung GmbH“, „Lobet den Herrn: Die 20 schönsten religiösen Schlager- und Volksmusik-Hits, CD (Rückseite)“, „Vater, ich komme zu dir, CD“,
„Der Herr ist mein Hirte – Eine musikalische Reise durch die Psalmen, 2 CDs“,
„Diese einmalige Kollektion vereint schönstes christliches Liedgut interpretiert von beliebten Sängern und Sängerinnen aus Schlager und Volksmusik. Diese Titel berühren die Seelen gläubiger Menschen, geben Frieden und verkünden das Wort Gottes auf eine ganz besondere Weise.
Dabei sind unter anderem die Stimmen der Berge, Stefanie Hertel, Heintje, Sigrid & Marina, Monika Martin, Henry Arland, Halleluja Paul, Margot Hellwig, Ronny und die Kastelruther Spatzen.
Mit: Lobet den Herrn, Ave Maria, Lied eines Engels, Ein stilles Gebet, Großer Gott wir loben dich, Maria Wiegenlied u. v.m.“

Nach den Liedern der Stein- und Bronzezeit und des Neolithikum und der Antike und dann den mittelalterlichen Liedern der Minnezeit verbreiteten sich volkstümliche Schlager, Gassenhauer, Hits, Evergreens als geistliche Lieder und schließlich als deutschsprachige Lieder und als das, was als Klassik kategorisiert wird, Musiktheater, Singspiel, Operette, Oper, Arie. „Alte Musik“ von Mittelalter über Renaissance bis hin zur Barockmusik, die Klassik und Musik der Romantik. Frühklassik von 1730 bis 1770 und Wiener Klassik von 1770 bis 1830 unterteilt.

Mozart verwendete in seinen Melodien „Gran Partita“, „Zauberflöte“, welche einen wilden Stilmix aus unterschiedlichsten Elementen der älteren Italienischen ernsten und komischen Opern (Opera seria und buffa um 1.700), den seit dem 16. Jahrhundert weit verbreiteten „Gassenhauer“ und sogar den Kontrapunkt Johann Sebastian Bachs.

Zahlreiche Schallplatten, Tonkassetten und CDs wurden und werden produziert, z.B.: Label: „Document“ (Membran), Audio CD (24. Juni 2013)
Titel: „Klassische Gassenhauer“, Box-Set,
Elisabeth Schwarzkopf (Künstler), Maria Callas (Künstler), Hermann Prey (Künstler), & 16 mehr,
Dirigent: Herbert von Karajan, Georg Solti, Leopold Stokowski,
Komponist: Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn, Antonio Vivaldi, Edvard Grieg,
Produktbeschreibungen:
Millionen Menschen in aller Welt sind diese Melodien vertraut. Doch längst nicht allen ist bewusst, dass sie aus dem unendlichen Vorrat der sogenannten “klassischen Musik“ stammen. Viele von ihnen wurden sogar zur Vorlage für Erfolgsschlager, wie “Stranger in Paradise“ (Polowetzer Tanz), “Überall auf der Welt“ (Nabucco-Chor) oder “In mir klingt ein Lied“ (Chopins Etüde op. 10 Nr. 3). Andere, wie Mendelssohns “Hochzeitsmarsch“ oder Wagners Brautchor aus “Lohengrin“, verschönern uns festliche Stunden. Und wieder andere sind mit Textzeilen wie “Reich mir die Hand, mein Leben“ oder “Auf, in den Kampf“ zu Zitaten in unserer Alltagssprache geworden. Sie alle verbinden sich auf diesen 10 CDs zu einem klangschönen Wiederhören von mehr als 170 Melodien, die uns ein Leben lang begleiten.
Wer bisher mit “Klassik“ nichts anfangen konnte, hier wird er zum Entdecker und schließlich zum Fan. Mit Maurice André, Claudio Arrau, Maria Callas, Mirella Freni, Nicolai Gedda, Ingeborg Hallstein, Herbert von Karajan, Mario Lanza, Nathan Milstein, Lucia Popp, Hermann Prey, Anneliese Rothenberger, Artur Rubinstein, Elisabeth Schwarzkopf, Georg Solti, Leopold Stokowski und vielen anderen.“

Lied ist Musik und ist Text, ist Dichtung, Lyrik, „Lyrics“, wie es auf Englisch bei Liedtexten genannt wird. Seit Anbeginn der künstlerischen Ausdrucksweisen mittels Musik und Dichtung, wie archäologische Funde lehren, hat das Lied den Rang von Gedicht, ist Gedicht, eben nach Liedern des Neolithikum und der Antike, mittelalterliche Lieder der Minnezeit und geistliche Lieder.

Mit der massenhaften Enteignung der Landbevölkerung,
der Aufwertung des Geldes im Verhältnis zu gegenständlichem Besitz und der Konzentration von Kapital als Privatbesitz bei wenigen, verbreitete sich im 18. und 19. Jahrhundert massenhafte Verelendung bei der durch die Umwälzung entstandene Klasse des Proletariats und offenbarte endgültig die Mangelhaftigkeit der wirtschaftsgesellschaftlichen Struktur sowie das Unrecht des zivilisierten Systems.
Der Begriff Pauperismus entstand nun, als sich verheerende Massenarmut ausbreitete. Lohnarbeiter und Lohnarbeiterinnen, Kinder, Handwerker konnten kaum noch für ihren Lebensunterhalt sorgen, trotz zeitaufwendigem und hartem Arbeitseinsatz, und diejenigen, die durch die vorangegangenen Enteignungen ohne Arbeit waren, verarmten vollends.

So war 1848 auch das Jahr des Beginns von Auswanderungswellen von Europa in die USA. Sozial und gesellschaftlich unzufriedene, arme Bürger Deutschlands, hungernde Iren, arme Skandinavier, Russen, Italiener suchten in den USA ein besseres Leben. Für die europäische Gesellschaftsordnungen bedeutete die Abwanderung von Arbeitern, Arbeiterinnen, Hausfrauen, Hausmädchen und Handwerkern durchaus eine ökonomische, eine politische und auch eine kulturelle Bedrohung.

Und ebenfalls im Jahre 1848 schrieb der Mönch Antonio Rosmini-Serbati ein Buch, in dem erstmals nach dem Vorbild von Franz von Assisi aus den Reihen der Kirche soziale Gerechtigkeit gefordert wurde. Der Papst verbot das Buch.

Dieses 19. Jahrhundert war nicht nur eine Zeit von gesellschaftlichen, ökonomischen, geistigen und kulturellen Krisen, sondern es steigerte rücksichtslose Profitmaximierung und einseitige Verteilung, brachte Wirtschaftskrisen, Armut, Elend und Nationalismus, die Weltkriege, Völkermorde und Diktaturen des 20. Jahrhunderts hervor.

Mit der Armengesetzgebung im 19. Jahrhundert wurde die Spaltung zwischen Bürgertum, Arbeiterschaft und Armen festgeschrieben. Die sozialstaatlichen Maßnahmen, bedrängt durch politische Einflüsse der sozialen Bewegungen und der Gewerkschaften, gaben der Armut mildernde Umstände und implantierten diese als sozialstaatliche `Normalität´.

Mit der so genannten „Industriellen Revolution“ seit etwa dem Jahre 1750
und dynamisch ab der Mitte des 19. Jahrhunderts verbreiteten sich Schlager, Gassenhauer, Hits ins Massenhafte, sowohl in den Herrschaftseliten als auch im so genannten Volk.
Das Leben wurde beschleunigt und im Volk erdrückend, musikalische Unbekümmertheit und Beschwingtheit gegen Zwänge sollten unterhalten und Freude und Trost und Demut spenden, in den Konzerthäusern für Adel, Militär, Klerus und Großbürgertum, und das so genannte „gemeine Volk“ pfiff und sang die Lieder in den Gassen, nicht nur Lieder der „leichten Muse“, sondern auch ernste Lieder wie „Die chinesische Flöte“, von Hans Bethge und Gustav Mahlers Vertonung des „Lied von der Erde“ sowie „Kindertotenlieder“ von Friedrich Rückert und „Lieder eines fahrenden Gesellen“ aus der Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ von Clemens Brentano und Achim von Arnim; „Buch der Lieder“ von Heinrich Heine; romantische Lieder von Goethe, Schumann, Schubert u.v.a.,

und Schlager von Mozart und Zeitgenossen und Operetten-Schlager, „Hoffmanns Erzählungen“, und im „Pariser Leben“ von Jacques Offenbach heißt es: „Ich möchte einen Cancan tanzen, / So frech wie die Pompadour, / Denn wir Pariser Pflanzen / Denken nur l´amour, l´amour“;
Offenbach gilt als „Vater der Operette“, u.a. „Orpheus in der Unterwelt“, „Die schöne Helena“; „Leichte Kavallerie“, “ Die Pariserin“;
Franz von Suppé gilt als Schöpfer der „Wiener Operette“, u.a. „Die schöne Galathée“; Walzer-Dynastie Strauß und Johann Strauß Sohn, die Superschlager-Operette „Die Fledermaus“, „Eine Nacht in Venedig“, „Der Zigeunerbaron“, „Wiener Blut“; Carl Zeller, u.a. „Der Vogelhändler“; Franz Lehár, u.a. „Die lustige Witwe“, „Der Graf von Luxemburg“, „Land des Lächelns“, „Der Zarewitsch“; Emmerich Kálmán, u.a. „Die Csárdásfürstin“ und 1924 „Gräfin Mariza“; und dann Paul Linke, der als „Vater der Berliner Operette“ gilt.

Opernlieder und insbesondere Operettenlieder und Einzellieder erlebten wegen der neuen musikalischen Kommunikationsmittel Schallplatte und Grammophon und schließlich Rundfunk und Film eine explosive Verbreitung als Gassenhauer, Ohrwurm, Evergreen, Klassiker, Standard, Hit, Schlager und, wie es in Frankreich heißt: „Variétés“ und „Chansons“, in England „Hit“ und Pop-Popular“, in Italien „Brani“ und „Canzone“ mit austauschbaren Melodienarten und Texten – weitere Superschlager:

„Hochzeitsmarsch“, „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“, „Träumerei“, „Sehnsucht nach der Taiga“, „Caprice viennois op. 2“, „O Fortuna – Ave formosissima – O Fortuna“, „Polonaise As-Dur“, „Minutenwalzer“, „Der Schwan“, „Valse triste“, „Hummelflug“, „Die Moldau“, “ Liebestraum A-Dur“, „Ich bete an die Macht der Liebe“, „Clair de lune“, „Aufforderung zum Tanz“, „Tango español“, „Halleluja“, „Caro mio ben“, „Türkischer Marsch“, „Ombra mai fu“, „Ave Maria“, „Blumenwalzer“, „Pizzicati“, „Castillane“, „Danse espagnole“, „Marsch der Zinnsoldaten“, „Carillon“, „Feuertanz“, „Bolero“, „Tritsch-Tratsch-Polka“, „Annen-Polka“. „Wein, Weib und Gesang Walzer“, „Polowetzer Tanz“, „Säbeltanz“, „Slawischer Tanz“, „Spanischer Tanz“, „Triumphmarsch“, „Gefangenenchor“, „Krönungsmarsch“, „Nessun dorma“, „Ungarischer Marsch“, „Soldatenchor“, „Faustwalzer“, „O mio bambino caro“, „La donna è mobile“, „Auf, in den Kampf“, „Zigeunerchor“, „Barcarole“, „Matrosenchor“, „Jägerchor“, „Letzte Rose“, „Holzschuhtanz“, „Reich mir die Hand, mein Leben“, „Behüt‘ dich Gott, es wär‘ so schön gewesen“, „Can Can“, „Wien, Wien, nur du allein“, „Dunkelrote Rosen“, „Tanzen möchte‘ ich“, „Dein ist mein ganzes Herz“, „Glücklich ist, wer vergisst“, „Hab‘ ich nur deine Liebe“, „Freunde, das Leben ist lebenswert“ u.v.a.

Nicht mehr mündliche Überlieferungen von Musik und Gesang und mittels geschriebenen Gedichten und Noten und selbst eigenes Musizieren und Besuch von Konzerten war zwingend notwendig, Musik konnte nun konsumiert werden und wurde als Massenware zunehmend verbreitet. Wurde mit Minneliedern um die Liebe geworben, stand nun Werbung um den Käufer im Vordergrund – der Bürger-Verbraucher entstand.

Selbstschutz- und Überlebens-Schlager
Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert verlagern sich die Kolonialkriege und nationalistischen Strebungen schließlich zum Ersten Weltkrieg.
Die gesellschaftlich herrschenden Gruppen und die Nationen haben dasselbe Ziel: Macht, Reichtum. Bei ihren Bestrebungen geraten sie untereinander in Konflikte. Die Ausstrahlung ihres Mythos besteht darin, dass sie die Gesellschaften sowohl zerstören als auch wieder aufbauen können. Zerstören sie eine Gesellschaft, entsteht die Sündenbock-Ekstase, bauen sie eine neue auf, entsteht die Heiligen-Ekstase, Vorbilder-Ekstase, Helden-Ekstase. Und anstatt sich der Ursachen dieser Krise und seiner selbst bewusst zu werden und sich mit den Ursachen zu beschäftigten, widmet man sich den Wirkungen.

Die Niederlage Deutschlands beendet das Kaiserreich, und nach revolutionären Aufständen wird die Weimarer Republik als erste parlamentarische Demokratie in Deutschland gegründet, welche wiederum 1933 durch die Nationalsozialisten abgelöst wird. Während der Weimarer Republik brach 1929 die New Yorker Börse zusammen und löste die Weltwirtschaftskrise aus, welche extreme Armut in Deutschland verbreitete. Menschen brachten ihre Habseligkeiten und Wertstücke ins Leihhaus, Pfandhaus oder zu Geldverleihern oder verkauften sie an entsprechende Händler, Schieber und Hehler, um an Bargeld zu kommen.

Die Gesellschaft des 20. Jahrhunderts wurde als die des Nihilismus prophezeit, und für das 21. Jahrhundert wurden Diagnosen gestellt: infantiles Spassgesellschaft-Jahrhundert, Zeitalter der Verschwendung, Zeitalter der Extreme, der Naturkatastrophen, Hungerkatastrophen, der Fettleibigkeit, der Hysterien und Paranoia, der mangelnden Geistesbildung, Sprachbildung, der konsumistischen Langeweile etc.; und es wurden Megatrends ausgerufen wie u.a. Alkoholfrei, Gesundheit, Tierwohl, Bildung/New Learning, Freiheit, Natur, Neoökologie, Selbstverwirklichung, Individualisierung, Frauen (Female-Shift), Mobilität, Senioren (Silver-Society), New Work, des narzisstischen Selbstdesigns, des zynischen Bewusstseins, der hypernervösen Gemeinschaften, Stress und Verzweiflung und Aggressivität steigen und Identitäten lösen sich auf.

Aber die Verbreitung kultureller menschlicher Ausdrucksweisen war von nichts aufzuhalten. Ab etwa 1890 entwickelten Intellektuelle und Künstler fern der Kultur des Kaiserreichs neue Stile und Formen in der Malerei, in musikalischen Ausdrucksweisen, in der Literatur und im Theater sowie im Tanz und in der Architektur. Die musikalischen Künste verbreiteten mehr denn je substanzielle Momente der Liebeslyrik und Lyrik der Freude, des Unglücks und des Todes und des Trostes und der zahlreichen menschlichen Lebensangelegenheiten als Überlebens- und Selbstschutz-Künste.
Das 19. Jahrhundert endet in der Bildenden-Kunst mit Expressionismus und das 20. Jahrhundert beginnt mit Dadaismus und dann der „Neuen Sachlichkeit“, und es erscheint das bahnbrechende psychoanalytische Werk, „Die Traumdeutung“ von Sigmund Freud, welches von KünstlerInnen fasziniert begrüßt wird, Albert Einstein entwickelt die Relativitätstheorie, und nach „Atonaler-Musik“ nun Zwölftonmusik von Arnold Schönberg und Neoklassizismus von Igor Strawinsky u.a., Symbolismus und Jugendstil, Tanztheater und Ausdruckstänze und „Freier Tanz“ von Isadora Duncan u.a., Politische-Revue, Varieté, Arbeitertheater, Musik von Paul Dessau, Ernst Krenek, Hans Eisler, Kurt Weill und Texte von Bertold Brecht, die Weltausstellung in Paris u.v.a.
Auffällig ist, dass Einflüsse der Avantgarde-Komponisten der klassischen Musik in der populären Musik zunehmen und ehemalige Grenzen auflösen.

Hatten die antiken Völker die Welt noch gedanklich sphärisch umrundet und transzendiert, umrundeten im Mittelalter die Entdecker mittels Weltumseglungen mit Schiffen in persona den Globus und machten sich die Erde untertan. Schließlich wird der Globus in der Moderne durch Flugzeuge und Schiffe, Kapitalströme und Signale, Informationen, elektronische Kommunikation, TV, Internet, Bilder und Töne in einer Weise umrundet, das diese gleichsam eine zweite Erdatmosphäre bildet, somit auch eine Atmosphäre von Musik, wie „Luft von anderen Planeten“, schrieb der Dichter Jean Paul um 1814 in seiner Erzählung „Selina oder über die Unsterblichkeit der Seele“.

Selbstbegegnung und Weltbewegung: Es findet also eine Umkehrung der Werte statt: das Jenseits wird zunehmend langweilig, statt dessen wird nun das Diesseits interessant und insbesondere der Trieb für eine bessere Welt. Eine bürgerlich-revolutionäre Gesinnung strebt nach einer menschlichen Freiheit, die auf der Suche nach wahrer Freiheit ist.

Durch die Verbreitung der Musik über Radio und Schallplatten und Kino und Theater werden Arien aus Opern zu Schlagern, wie Puccinis „Tosca“, ‚Der Rosenkavalier‘ von Richard Strauss, und Berthold Brechts ‚Dreigroschenoper‘, und Lieder aus Operetten, die „Berliner Operette“, Paul Linke als „Vater der Berliner Operette“ u.a. mit „Das macht die Berliner Luft, Luft, Luft“, „Frau Luna“; Walter Kollo, u.a. „Wie einst im Mai“; und Eduard Künneke, u.a. „Der Vetter aus Dingsda“,1921; und Paul-Abraham, u.a. „Victoria und ihr Husar“ 1930 und „Die Blume von Hawaii“ 1931; Ralph Benatzky, u.a. „Im Weißen Rößl“ 1930; Robert Stolz, u.a. „Zwei Herzen im Dreivierteltakt „, aufkommende Musicals, Theater und Filmen zu Schlagern und Musiker und SängerInnen zu Idolen, wie Marlene Dietrich, „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, „Ein Freund, ein guter Freund“, aus dem Film „Die drei von der Tankstelle“ von 1930, u.a. mit Heinz Rühmann, und 1931, „Das gibt‘s nur einmal“, Lilian Harvey in „Der Kongress tanzt“. Und beliebt waren lustige Lieder mit Texten wie: „Was macht der Maier am Himalaya“, „Veronika, der Lenz ist da“, „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh’n“ u.v.a. Damit wurden u.a. die legendären „Comedian Harmonists“ bekannt.

Parallel verbreiteten sich in den 1920er Jahren Tanzhits, Foxtrott und Tango, neue Tänze wie Charleston, Black Bottom, Shimmy und der Lindy Hop, Tanzbars werden eröffnet und Tanzveranstaltungen arrangiert. Und das vielseitige Musikgenre Jazz aus USA wird zunächst als Tanzmusik zu Hits, insbesondere Dixieland und Swing.
Entsprechend wurden deutsche Big Bands und Jazz-Orchester nach amerikanischem Vorbild gegründet. Und Tonfilm und Operetten liefern Schlager sowie das neue Genre Musical.

Nach dem Ersten Weltkrieg gab es von 1918 bis 1923 die Elendsjahre mit Hungersnot, Arbeitslosigkeit, Bettelei. Besserungen kamen ab 1924, als die Rentenmark eingeführt wurde, die Hyperinflation stoppte und die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung in Gang setzte.

1927: „Hoppla wir leben!“, Ernst Tollers Gesellschaftspanorama: „Wir sprechen und hören uns nicht. Wir hassen und sehen uns nicht. Wir lieben und kennen uns nicht. Wir morden und fühlen uns nicht. Warum zertrümmert, verbrennt, vergast ihr die Erde? Muss es immer, immer so sein? – So dreht Euch weiter im Karussell, tanzt, lacht, weint, begattet euch, viel Glück, ich spring ab. Was treibt ihr? Wehrt euch doch! Keiner hört! Keiner hört. Keiner!“

Und 1929 brachen dann weltweit die Börsen zusammen und lösten Wirtschaftskrisen aus, und beförderte den Aufstieg des Nationalsozialismus – und damit den Anfang der Zensur und Umdeutung und Unterdrückung von Musik und anderer Kultur: so genannte „entartete“ Kunst, Tanz, Musik, Theater, Film … wurden für Propagandazwecke des Nationalsozialismus zugerichtet.

Wir machen Musik
Als „listenreicher Erfinder“ in seinen Künsten erwies sich der Drehbuchautor, Regisseur, Schauspieler und Kabarettist Helmut Käutner, insbesondere mit seinem Revuefilm: „Wir machen Musik“, mit Musik komponiert von: Adolf Steimel und Peter Igelhoff, Titellied gesungen von Hauptdarstellerin Ilse Werner.

Zu jener Zeit, als Josef Goebbels im Mai 1933 sagte: „Das Zeitalter des überspitzten jüdischen Intellektualismus ist vorbei“, war todesmutige List nötig, um der Kalt-Ekstase der Macht zu widerstehen. Ein Kameraschwenk zu einem „Schmuggler“, der sich mit der „List der Vernunft“ in Film und Musik der herrschenden Zensur der Nazis widersetzte.

Im September 1941 wurde den jüdischen Bürgern in Deutschland das sichtbare Tragen des gelben Sterns verordnet; dadurch wurden sie unfreiwillig zu Opfern gemacht.

Gleichzeitig organisierte Heydrich bis zum Jahre 1942 die „Endlösung der Judenfrage“, indem er die seit 1933 errichteten Konzentrationslager vollends zu Vernichtungslagern ausbauen ließ, mit Gaskammern und Krematorien und Fabriken, in denen Fremdarbeiter in den Dienst der Wehrwirtschaft gestellt wurden; die über fünfzig Jahre „danach“ – wenn es ein „danach“ gibt – keinerlei Respektierung und Zuwendung erfahren haben, nicht von den Konservativen und nicht von den Sozialdemokraten.

Einige Monate zuvor, im Juni ´41, war die deutsche Wehrmacht zum rassenideologischen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion aufgebrochen.
Die systematische Massenverfolgung und Deportationen der Juden und ihre Vernichtung in Konzentrationslager begann im Juni 1942. Im selben Jahr avancierte Helmut Käutners Filmkomödie, „Wir machen Musik“, mit Ilse Werner, Viktor de Kowa, Grethe Weiser und Georg Thomalla zum Kassenschlager der Saison. Die Dreharbeiten dauerten vom 2. Juni 1942 bis Ende Juli. Am 3. Oktober ging der Film durch die Zensur und am 8. Oktober war die Uraufführung im Berliner Marmorhaus. Der Film erhielt die Prädikate „künstlerisch wertvoll, volkstümlich wertvoll, anerkennenswert“.

Helmut Käutner hatte das Drehbuch nach dem Lustspiel „Karl III. und Anna von Österreich“, von Manfred Rössner und Motiven von Erich Ebermayer geschrieben. Der Musikpädagoge und Komponist Karl Zimmermann, gespielt von Viktor de Kowa, verliebt sich in seine Schülerin Anni Pichler, gespielt von Ilse Werner, die sich gegenseitig romantisierend Karl III. und Anna von Österreich nennen.

Als Karl Zimmermann einen Abend in Begleitung einer Bekannten (Grethe Weiser) in einem Tanzclub verbringt, in dem seine Schülerin als Sängerin der Kapelle auftritt, lässt er ihr durch einen Kellner einen Zettel überbringen, auf dem steht: „Bitte kommen Sie in der Pause an unseren Tisch. KZ“

Auch in anderen Musikfilmen hatte Käutner die Zensur mit seiner Erfindungskunst des sichtbar Versteckten überlistet, wie in „Kitty und die Weltkonferenz“, 1939, in „Große Freiheit Nr. 7“, 1943/44, „In jenen Tagen“, 1945.
In „Wir machen Musik“ zeigt zum Schluss die Kamera de Kowa auf dem Balkon seiner Wohnung, wie er direkt in die Kamera spricht, das Publikum direkt anspricht und ihm einen Hinweis zur Verdunkelung bei Luftalarm gibt, 1942. Dieser Hinweis auf die gänzlich unfilmische Wirklichkeit des Alltags sowie die Szene, in der Anni den Zettel mit der Unterschrift unter der Botschaft, „KZ“ vom Kellner erhält, fehlen im ursprünglichen Drehbuch „Karl III. und Anna von Österreich“ von Manfred Rössner aus 1939. Und beide Szenen fehlen in dem Remake „Wir machen Musik“, als TV-Produktion des Süddeutschen Rundfunk ARD von 1966, unter der Regie und nach dem Drehbuch von Karl Vibach, der den Stoff nun in die Sechzigerjahre verlegte. Käutner hatte die Szenen zusätzlich in den Film platziert – `aus aktuellem Anlass´.
Mittels seines Films schuf Käutner einen erstrangigen Schlager: „Wir Machen Musik“, gesungen von Ilse Werner:
„Wir machen Musik, Da geht Euch der Hut hoch, Wir machen Musik, Da geht Euch der Bart ab, Wir machen Musik, Bis jeder beschwingt singt: Do, re, mi, fa, so, la, si, do. Wir machen Musik, Da geht Euch der Knopf auf, Wir machen Musik, Da bleibt Euch die Luft weg, Wir machen Musik, Bis Euch unser Takt packt: Do, la, so, mi, do. Mit Musik, Ist ja das ganze Leben nur noch halb so schwer, Mit Musik, Erreicht man ja auf dieser Welt bestimmt viel mehr. Wir machen Musik, Da geht Euch der Hut hoch, Wir machen Musik, Da geht Euch der Bart ab, Wir machen Musik, bis jeder beschwingt singt, Wir machen Musik, Wir machen Musik, Wir machen Musik! Wenn du auch mal Dein Glück verpasst, Beklag nicht dein Geschick. Und wenn du auch mal Sorgen hast, Vertreib sie mit Musik. Denn wer zum Trost kein Liedchen kennt, Pfeift auf dem letzten Loch Und wenn der ganze Schnee verbrennt, Die Asche bleibt uns doch. Badadadadi…“.

Das Lied sprüht vor „utopischer Funken“ und „Seitensprung“ (Ernst Bloch), und bietet Zukunftshoffnung auf ein baldiges besseres Leben.

50er Jahre Schlager-Vergnügen – „Pack die Badehose ein“
Besseres Leben erhofften sich die Deutschen nach Ende des Krieges und der Naziherrschaft in den Fünfzigerjahren. Nur wenige Hits aus der Nazizeit mündeten in die Fünfzigerjahre hinein, wie Willi Forst, „Unter einem Regenschirm am Abend“, Marika Rökk, „Ich warte auf dich“, Marlene Dietrich sang „Lili Marleen“ auf Englisch: und Lale Andersen auf Deutsch, und Hans Albers: „Auf der Reeperbahn“, „La Paloma“ u.a.. Dieses Genre ebbte dann in den Sechzigerjahren ab.

Während des Wiederaufbaus der zerstörten Städte und des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens wurden meist amerikanische Filme und Musik der amerikanischen und englischen Besatzer verbreitet. Swing-Musik von amerikanischen Tanzorchestern, Glenn Miller mit den Superschlagern, „In The Mood“, „Moonlight Serenade“, „Chattanooga Choo Choo“, u.a., und Schlager von US-Stars wie Doris Day und „Les Brown & his Orchestra“ mit „Sentimental Journey“ und „Till The End Of Time“, Woody Herman And His Orchestra mit „Apple Honey“, und Bing Crosby und The Andrews Sisters, „Don’t Fence Me In“ etc. Und bereits 1927 hatte Jerome Kern das Musical „Show Boat“ zu weltweiter Schlagerbekanntheit gebracht. Und derart ging es 1934 weiter mit „Anything goes“, von Cole Porter, 1945 „Carouse“ von Richard Rodgers und 1948 mit „Kiss me, Kate“ von Cole Porter.

Nach amerikanischem Vorbild entstanden deutsche Tanzorchester: Willy Berking und sein Orchester, Erwin Hartung und Orchester Adalbert Lutter, Michael Jary und sein Orchester, Deutsches Tanz- & Unterhaltungsorchester, das Schweizer Orchester von Teddy Stauffer u.a.

In der Phase des Wiederaufbaus bildete sich das so genannte „Wirtschaftswunder“ und der Wunsch nach Reisen, vorzugsweise nach Italien, woher die ersten Gastarbeiter kamen, mit Motorrad und Beiwagen, mit den ersten Autos er Nachkriegszeit: Isetta, Goggo, Lloyd und VW-Käfer. Entsprechend die Schlager: „Komm ein bisschen mit nach Italien“ von Caterina Valente, Peter Alexander und Silvio Francesco und „Tschau, Tschau, Bambina“, und „Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein“ von René Carol, und die „Capri-Fischer“ von Rudi Schuricke u.v.a., und SängerInnen Evelyn Künneke, Hilde Hildebrand, Ralph Bendix, Bully Buhlan, Fred Bertelmann und Lys Assia, Rocco Granata, Margot Eskens mit „Cindy“ und Caterina Valentes sang „Ganz Paris träumt von der Liebe“, Siw Malmkvist „Liebeskummer lohnt sich nicht“ und Connie Francis, „Die Liebe ist ein seltsames Spiel“, Spaßlieder mit Gus Backus, Billy Mo, Bill Ramsey, Trude Herr, und Stars auch für den Film wie Vico Torriani, Peter Alexander und die genannten in zahlreichen Spaßfilmen und Berg- und Waldfilmen mit Lederhosen und mit Rudolf Prack, Sonja Ziemann, Rudolf Lenz, Willi Forst, Marianne Hold, Dieter Borsche, Ruth Leuwerik, Liselotte Pulver, Paul Hubschmid, O.W. Fischer u.a.

So auch Freddy Quinn in vielen Filmen und insbesondere als Sänger mit Texten über Heimweh und Sehnsucht, Meer und Wüste; er verkaufte mit „Junge, komm bald wieder“, „Die Gitarre und das Meer“, „La Paloma“ u.a. die meisten Schallplatten.

Aus USA kamen neben Jazz und Swing Musicals nach Deutschland: „Can-Can“ von Cole Porter, „My Fair Lady“ von Frederick Loewe und „West Side Story“ von Leonard Bernstein und eine neue Jugendkultur: Rock’n’Roll, mit dem ÄraHelden Elvis Presley sowie Bill Haley, Little Richard, Buddy Holly, Jerry Lee Lewis u.a.

Verdeutscht wurde Rock’n’Roll von Ted Herold, Peter Kraus und Connie Froboess, die noch einige Jahre zuvor als Kinderstar gesungen „Pack die Badehose ein“ hatte.

„Wir lassen uns das Singen nicht verbieten“

Aufbruch und Schlagerseitensprung in den Sechziger- und Siebzigerjahren
Protest gegen autoritäre Verhältnisse begann bereits nach der Gründung der Bundesrepublik wegen der Einführung der Bundeswehr und der Wiederbewaffnung, es folgte die Anti-Atomwaffen-Protestbewegung und die der Kriegsdienstverweigerer, die Friedensbewegung, Frauenbewegung, Bewegung gegen die Notstandsgesetze, gegen Rassismus etc., der Vietnamkrieg war weltweit aktivierend für die so genannte „68er“-Generation.

In den Fünfziger- und Sechzigerjahren lebte in Deutschland ein kollektives Unbewusstsein-Bewusstsein über die Gewaltekstasen von Vätern und Lehrern und von Männern der Kirche an Kindern.
Aus dem Rock’n’Roll der Fünfzigerjahre als Rebellion gegen die autoritäre Elterngeneration und das Establishment entwickelte sich Rockmusik und Blues u.a. von Deep Purple, Led Zeppelin, Pink Floyd, Janis Joplin, Jimi Hendrix, Joe Cocker, The Who, Santana, Uriah Heep, Black Sabbath, Rolling Stones und so weiter sowie Beatmusik von den Beatles und zahlreichen Bands und Einzelinterpreten und Folkmusik u.a. parallel zu politischen Protesten weltweit wegen des Vietnamkriegs, der Rassentrennung, der Unterdrückung von Frauen, materieller Ausbeutung und Armut etc. als Epoche des Aufruhrs.

Juliana Werding sang das von Joan Baez, „The Night They Drove Old Dixie Down“ stammende Antidrogenlied „Am Tag, als Conny Kramer starb“, ein Thema, über welches auch andere sangen, und Katja Ebstein klagte mit ihrem Lied, „Diese Welt“ Umweltzerstörung an, Gunter Gabriel besang mit, „Hey, Boss, ich brauch‘ mehr Geld“ die ausgebeuteten Arbeiter, Jürgen Drews besang die freie Liebe im Kornfeld und Peter Maffay von nackten Frauen und jungen Schülern im Sommer und Altstar Peter Alexander von guter Nachbarschaft, Roy Black besang die Ehe und Udo Jürgens die Liebe zu minderjährigen Mädchen, und: „Es wird Nacht, Señorita“, und später „Ein bisschen Frieden“ von Nicole u.v.a. Protest-, Liebes-, Trost-, Klage- und Überlebens-, Heil-, Immunitäts-Lieder und Sehnsuchts-Lieder, wie der Sinn der Lieder antiker Hirten und Lieder der mittelalterlichen Troubadoure – anarchistisch zum Trotz „Negativer Dialektik“ (Adorno) und im „Vorschein“ mit „utopischen Funken“ Blochs und seines Schlagers als eines „Seitensprungs“ („Erbschaft dieser Zeit“).

Am 9.5.2009 sendete „Deutschlandradio Kultur“
einen Beitrag in ihrer Rubrik „Literatur“ mit dem Titel: „Lieder lügen nicht – Theodor Adorno hört Freddy Quinn – Dichter und Denker zur Kultur des deutschen Schlagers“.
Der Beitrag stammt von dem Autor des im Jahr 2000 erschienenen Buchs: „Schlager“, Reiner Moritz.
„Trotzig kommt es einher, dieses Lied aus dem Jahr 1974, das von Tina York gesungen und von Jack White, dem unter anderem auch für Tony Marshall verantwortlichen Mitklatschspezialisten, produziert wurde. Liebhaber des deutschen Schlagers erinnern sich mühelos daran, wie die kurzberockte Tina York mit „Wir lassen uns das Singen nicht verbieten“ in der ZDF-Hitparade auftrat und all jenen Mut machte, die sich ihren Musikgeschmack nicht von besserwisserischen Intellektuellen vermiesen lassen wollten.“

Wie oben geschrieben wurde 1881 das Wort Schlager in der „Wiener National-Zeitung“ als Beschreibung für Gesangslieder populär, für Opern- und Operettenlieder und Singspiele der so genannte „Wiener-Klassik“, welche bisher als „Gassenhauer“ bezeichnet wurden, weil diese sich über die Eliten hinaus in alle Bevölkerungsschichten verbreiteten, „durchschlagender“ Erfolg, und ebenso Schlager der „Berliner-Operette“, der Theater und Tanz- und Salonmusik und schließlich Jazz, Musical und Filmmusik,
der fließende Übergang von der Romantik des 19. Jahrhunderts in die Moderne mit kompositorischen Freiheiten verschiedenste Stile und Strömungen wie Impressionismus, Expressionismus, Neoklassizismus, dem Umbruch des Dur-Moll-Systems in der Harmonik und Oldtime-, Klassischer-, Modern- und Free-Jazz und Blues und weitere Unterhaltungsmusik Schlager- und zahlreiche Rockmusik Indie-Rock, Industrial Rock, Noise-Rock, Post-Punk, Cold Wav, Death-Rock, Gothic Rock … Pop-Art, Pop-Literatur, Pop-Musik und Disco, New Wave, Beat, Funk, Soul, Techno, Dubstep, Heavy Metal, Punk, Hip-Hop, Artrock, Rap, Metal, Folk-Rock … etc. …

April/Mai 2020

Corona und Vernunft

Kanzlerin Angela Merkel und PolitikerInnen rufen zur Vernunft auf. In einer zur Unvernunft instrumentalisierten Gesellschaft nutzen Appelle zur Vernunft nichts; schon mal gar nicht von von Politikern welche mitverantwortlich für die Unvernunft der Gesellschaft sind.
21.3.2020

Wenn man mit der Bewältigung der Alltagserfordernisse beschäftigt ist und darüber hinaus mit Sorgen und Aktivitäten wegen Bedrohungen des Klimas und der Umwelt und ökologischen und ökonomischen und sozialen und demokratischen-freiheitlichen Problemen,
kann man leicht die weniger sichtbare und greifbare Bedrohung von Kriegsgefahren übersehen und Sorgen und Aktivitäten für Frieden vergessen.

„Der Frieden ist bedrohter, als wir denken.“
sagt der Historiker Prof. Peter Brandt im Gespräch
mit Stephan Karkowsky in Deutschlandfunk Kultur

„Der Frieden ist nicht alles,
aber alles ist ohne den Frieden nichts“
Bundeskanzler a.D., Friedensnobelpreisträger 1971 Willy Brandt

Frieden ist dann, wenn „alles“ emanzipiert ist …

– menschliche Sinne und Eigenschaften …
– „Naturalisierung des Menschen, Humanisierung der Natur“,
Eintracht und Gesundheit von Mensch, Tier, Pflanze, Klima, Luft, Erde, Wasser als Gesamtnatur …
– kultivierte psychische und geistige Bildung und Erfüllung …
– kein Machtmissbrauch, kein Gehorsam, keine Ausbeutung, keine Armut, Menschenwürde, Menschenliebe, Gerechtigkeit …
– keine konventionellen Waffen, keine Atomwaffen, keine Kriege …

… und wenn jeder seine natürlichen Fähigkeiten und
Grundbedürfnisse menschenwürdig erfüllt erlebt …

Frieden kann es nicht ohne „alles“ geben,
„alles“ kann es nicht ohne Frieden geben!

Der „listenreiche Erfinder“ – KZ bei Käutner

www.csbernays-history-never-dies.com
Zu jener Zeit – als Josef Goebbels im Mai 1933 sagte: „Das Zeitalter des überspitzten jüdischen Intellektualismus ist vorbei“ – war todesmutiger Mut und List nötig um der Kalt-Ekstase der Macht zu wiederstehen. Ein kurzer Kameraschwenk zu AntiEkstaseEvents, zu einem „Schmuggler“, der mit der „List der Vernunft“ in dem MedienEvent Film AntiMedien gegen die herrschende Zensur der NaziGehorsamEkstaseGesellschaft  schmuggelte.
Im September 1941 wurde den jüdischen Bürgern in Deutschland das sichtbare Tragen des gelben Sterns verordnet; dadurch wurden sie unfreiwillig zu Opfer gemacht.
Gleichzeitig organisierte Heydrich bis in das Jahr 1942 hinein die „Endlösung der Judenfrage“, indem er die seit 1933 errichteten Konzentrationslager vollends zu VernichtungsLager ausbauen ließ, mit Gaskammern und Krematorien und Fabriken in denen Fremdarbeiter in den Dienst der Wehrwirtschaft gestellt wurden; die über fünfzig Jahre „danach“ – wenn es ein „danach“ gibt – keinerlei Respektierung und Zuwendung erfahren haben, nicht von den Konservativen und nicht von den Sozialdemokraten.
Das „Unsagbare“, Grauen der Nazizeit, die Mischung aus paroxysmal (Pathologischer Anfall), perverssexuellen sich entladenden BlutRauschEvents, als nekrophile EkstaseFeste – „Kriege sind perverse sexuelle Rituale“, Lloyd deMause -, „heiße“ Grausamkeit (Alexander Mitscherlich), und sachbearbeitende, bürokratische, buchhalterische Schreibtischverwaltungsakte, „kalte“ Grausamkeit (Mitscherlich), sortierte in wertes und unwertes Leben, und wurde  insbesondere in einer neuartigen Verfahrensweise vernichtet. Im wahrsten Sinne des Wortes „säuberten“ sich Nazis in dem pervers-sexuellen Ritual der Opferung durch Tötung beim duschen.
Einige Monate zuvor, im Juni ´41, war die deutsche Wehrmacht zum rassenideologischen Vernichtungskrieg gegen Rußland aufgebrochen.
Offenbar die Mehrheit der nichtjüdischen Deutschen reagierte auf das Tragen des gelben Sterns mit einer Mischung aus Scham und Sympathie für die Juden. „Es scheint“, schreibt David Bankier in „Die öffentliche Meinung im Hitler-Staat, Die ´Endlösung` und die Deutschen, Eine Berichtigung“, „es scheint, als sei der Stern in Deutschland so wie in Frankreich als etwas Lächerliches angesehen worden. Im Volksmund hieß er ´Gelber Ehrenstern` oder ´Pour le sémité. Fredborg (schwedischer Korrespondent in Berlin) berichtet, daß er sogar von Leuten, die mit den Nationalsozialisten zusammenarbeiteten, als kontraproduktiv angesehen wurde“.
Albert Speer schreibt, Goebbels teilte Hitler mit, die Einführung des Judensterns habe das Gegenteil von dem bewirkt, was man damit beabsichtigt hatte: „Wir wollten die Juden aus der Volksgemeinschaft ausschließen. Aber die einfachen Menschen meiden sie nicht, im Gegenteil, sie zeigen überall Sympathie für sie. Dieses Volk ist einfach noch nicht reif und steckt voller Gefühlsduseleien“.
Am 24. Oktober 1941 drohte ein Erlaß allen Deutschen eine dreimonatige Haft an die mit Juden sympathisierten. Goebbels verschickte diesen Erlaß als schwarzes Blatt mit gelbem Stern aufgedruckt zusammen mit den monatlichen Lebensmittelkarten an die deutschen Familien, worauf der Satz stand: „Deutsche, das ist Euer Todfeind“.
Von anfänglicher Gleichgültigkeit hatte sich die Haltung der Bevölkerung durch die Einführung des gelben Sterns zu Freundlichkeit, Mitleid und Scham gewandelt, um nun durch die verschärfte Unterdrückung und Bedrohung des Gewaltsystems in Angst, Verdrängung und Empfindungslosigkeit umzuschlagen und sich als Wirklichkeit zu gewöhnen, die nicht mehr als solche kritisch wahrgenommen wurde (Bankier).
Die systematische Massenverfolgung und Deportationen der Juden und ihre Vernichtung in Konzentrationslager begann im Juni 1942. Im selben Jahr avancierte Helmut Käutners Filmkomödie, „Wir machen Musik“, mit Ilse Werner, Viktor de Kowa, Grethe Weiser und Georg Thomalla zum Kassenschlager der Saison. Die Dreharbeiten dauerten vom 2. Juni  1942  bis Ende Juli. Am 3. Oktober ging der Film durch die Zensur und am 8. Oktober war die Uraufführung im Berliner Marmorhaus. Der Film erhielt die Prädikate „künstlerisch wertvoll, Volkstümlich wertvoll, Anerkennenswert“.
Helmut Käutner hatte das Drehbuch nach dem Lustspiel „Karl III. und Anna von Österreich“, von Manfred Rössner und Motiven von Erich Ebermayer geschrieben. Der Musikpädagoge und Komponist Karl Zimmermann, gespielt von Viktor de Kowa, verliebt sich in seine Schülerin Anni Pichler, gespielt von Ilse Werner, die sich gegenseitig romatisierend Karl III. und Anna von Österreich nennen.
Als Karl Zimmermann einen Abend in Begleitung einer Bekannten (Grethe Weiser) in einem Tanzclub verbringt, in dem seine Schülerin als Sängerin der Kapelle auftritt, läßt er ihr durch einen Kellner einen Zettel überbringen, auf dem steht: „Bitte kommen Sie in der Pause an unseren Tisch. KZ“.
„Die Filme, die Helmut Käutner während der Nazijahre drehte, waren seine besten überhaupt, die Vorsicht, mit der er zu Werke gehen mußte, spornte seine Kunst der subtilen Spitzfindigkeiten an …“, schreibt der Dramaturg und Filmhistoriker Klaus Völker 1992, und weiter: „Es war in seinem Fall ein großer Vorteil, daß er das ihm Wesentliche ‚versteckt´ im Formalen und im Handwerklichen zeigen mußte. Die Zensur machte ihn ausgesprochen erfinderisch“.
Und der Filmpublizist Karsten Witte schreibt, daß Käutner stets „eine Fahne hochhielt: die, die einen Ausweg in die Ironie oder einen zum dritten Ort wies“.
In seinem ersten Film „Kitty und die Weltkonferenz“, 1939, ließ Käutner den Namenszug am Hotel „Eden“ verheißungsvoll mit der Kamera an dem nach vielen Konflikten im Laufe des Films erprobten Paar zukunftweisend vorüberziehen.
In „Große Freiheit Nr. 7“, 1943/44, steht Hans Söhnker in einer Hafenkneipe am Spielautomaten dessen neon-bunte Botschaft die Kamera erfaßt: „Wer wagt, gewinnt“.
„In jenen Tagen“ wurde vor Kriegsende konzipiert und von Käutner das Drehbuch geschrieben. In der ersten Episode des Films zeigt die Kamera eine Zahl auf der Frontscheibe eines Autos eingeritzt, das in Berlin „Unter den Linden steht“: „30/1/33“. Die vermeintliche Telefonnummer erweist sich als das Datum von Hitlers Machtergreifung und dem Marsch durch das Brandenburger Tor.
In einem Gespräch zwischen Edmund Luft und Helmut Käutner, das unter dem Titel: „Kunst im Film ist Schmuggelware“ abgedruckt wurde, betont Käutner : „… ich habe ja selten Zeitkritik gemacht, außer im Heiteren, sondern fast immer nur Zeitaufzeigung, Darstellung, was ist. Heute gibt es dafür das beliebte Schlagwort ‚Dokument´“.
In „Wir machen Musik“ zeigt zum Schluß die Kamera de Kowa auf dem Balkon seiner Wohnung, wie er direkt in die Kamera spricht, das Publikum direkt anspricht und ihm einen Hinweis zur Verdunkelung bei Luftalarm gibt, 1942.
Dieser Hinweis auf die gänzlich unfilmische Wirklichkeit des Alltags sowie die Szene in der Anni den Zettel vom Kellner erhält mit der Unterschrift unter der Botschaft, „KZ“, fehlen im ursprünglichen Drehbuch „Karl III. und Anna von Österreich“ von Manfred Rössner aus 1939. Und beide Szenen fehlen in dem Remake „Wir machen Musik“, als TV-Produktion des Süddeutschen Rundfunk ARD von 1966, unter der Regie und nach dem Drehbuch von Karl Vibach, der den Stoff nun in die sechziger Jahre verlegte.
Die Schlußszene in der Produktion von 1942 mit dem Hinweis zur Verdunkelung bei Luftalarm hat Käutner bewußt in den Film plaziert. Über die Szene mit dem Hinweis „KZ“, der „Zeitaufzeigung, Darstellung, was ist“, hat Käutner offensichtlich öffentlich nie gesprochen, nicht geschrieben und wahrscheinlich hat auch kein Kritiker diese Stelle je erwähnt, und: sie wurde von der nationalsozialistischen Zensur nicht reflektiert. Der primitive Bewußtseinsstand der NaziZensoren war wohl derartig Selbstverblendet, daß sie Direktheiten, „Deutungen“, wie das Datum von Hitlers Machtergreifung oder die „Rune“ KZ nicht bewußt erfassen konnten.
War Käutner bewußt, daß er als Unterschrift für die Botschaft : „Bitte kommen Sie in der Pause an unseren Tisch“, „KZ“, gewählt hatte, und eben nicht Karl, oder Karl Zimmermann, oder Zimmermann, oder Prof. Zimmermann, oder K. Zimmermann, oder Karl Z.?
War es eines seiner gewollten AntiListEvents, oder war die List der Vernunft ihm so sehr eigen geworden, daß es ein intuitives AntiEklstaseListEvent war?
Ilse Werner war erstaunt über „KZ“ und sagte, daß sie und ihre Kolleginnen und Kollegen das nie erwähnt hätten, „und Helmut auch nicht“ – Odysseus, der listenreiche Erfinder des „Trojanischen Pferdes“.

 

 

 

 

Peter Brückner: „Kritik an der Linken“

Hervorgehoben

Alexander Gauland leugnet die Darstellung der Historiker Michael Wolffsohn und … Benz, dass er in seinem Gastbeitrag in der „FAZ“ „Argumentation und Duktus einer Hitler-Rede übernommen habe, die dieser 1933 vor Arbeitern in Berlin-Siemensstadt gehalten hatte“. „Ich kenne keine entsprechende Passage von Adolf Hitler“, sagte der AfD-Chef dem Tagesspiegel.
Vielleicht kennt Gauland die Rede nicht, er benötigt diese Kenntnis nicht, er ist schlicht so.

 

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Peter Brückner: „Kritik an der Linken“

Text geschrieben 1972, 2017 = 45 Jahre

Geboren 13. Mai 1922, Dresden, 2017 = 95 Jahre

Gestorben 10. April 1982, Nizza, 2017 = 35 Jahre

Beliebter als Selbstreflexion ist Aktion. Was Empörung und Protest gegen autoritäre Verhältnisse betrifft, begann Ausserparlamentarischer Widerstand nach Gründung der Bundesrepublik wegen Einführung der Bundeswehr und Wiederbewaffnung, es folgte die Anti-Atomwaffen-Protestbewegung und die der Kriegsdienstverweigerer, die Friedensbewegung, Frauenbewegung, Bewegung gegen die Notstandsgesetze, – der Vietnamkrieg war aktivierend für die so genannte „68er“-APO und der Mord an dem Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 -, und in den siebziger und achtziger Jahren dominierten Betriebsarbeits-Gruppen, K-Kruppen, MLer etc. und Themen wie Ökologie und Atomkraftwerk und Atomwaffen, aus ausserparlamentarischen Bewegungen wurden teilweise parlamentarische. Selbstreflektion wurde hinten an gestellt.

Bereits seit 1970/71 stellte der Sozialpsychologe Peter Brückner unermüdlich jedem Linken, der es hören wollte, und jenen Linken, die es nicht hören wollten, die meisten Linken wollten es nicht hören seine Frage:

Wurde denn überhaupt Theorie gemacht?”

Die einen wollten Brückners Frage nicht hören, weil sie bestens Bescheid zu wissen gewiss waren. Unter Theorie verstanden sie ihr Verständnis von Marx oder Bakunin oder Lenin oder Stalin oder Mao u.v.a. Andere wollten es nicht hören, weil sie mit Theorie “nichts am Hut” hatten. Praxis “aus dem Bauch” heraus war ihr “Ding”, Theorien “Kopfwichserei”. Oder unter Theorie wurde verstanden lebensanleitende Schriften zu psychologischen, sexuellen, pädagogischen, esoterischen, naturverbundenen Lebensweisen etc., Anleitungen, wogegen sich noch unlängst antiautoritär aufgelehnt wurde. Andere wiederum erlebten Bereicherung.

Brückner verwies mit seiner Frage, “Wurde denn überhaupt Theorie gemacht?”, auch auf die Selbstreflexion der Linken, der berüchtigte „Subjektive Faktor“, nach und wegen des Zusammenbruchs der Gegenöffentlichkeit, der emanzipativen anti-autoritären Bewegung ausser-parlamentarischer Opposition.

1971 hatten Studierende der ESG Hannover Materialien über das gesammelt, was ihnen an der Linken in Hochschule und Universität missviel, mit der Absicht, Beiträge zu liefern um, Diskussionen und gemeinsame Beratungen zu öffnen. 1972 fasste Peter Brückner Materialien und Notizen zu einem Referat und dann homogenen Text zusammen, und 1973 wurde dieser als Broschüre im Rosa Luxemburg Verlag, Köln verlegt (1980 wurde von „Psychologie und Gesellschaftskritik, Zeitschrift zur Kritik bürgerlicher Psychologie“ ein „Sonderheft zu Peter Brückner“ mit dem Titel: „…wurde denn überhaupt Theorie gemacht?“ produziert, herausgegeben von Klaus-Jürgen Bruder, und: „Peter Brückners Versuch, uns und anderen die Neue Linke zu erklären“, von Christoph Jünke, in „Tagungsband Sozialpsychologie des Kapitalismus heute. Zur Aktualität Peter Brückners“, herausgegeben von Klaus-Jürgen Bruder). Brückner schreibt darin: „… die Linke kann daher, als ein Produkt dieser Gesellschaft, einen Teil ihres Selbstverständnisses aus den Händen ihrer Feinde entgegennehmen, solange sie sich nicht selbstkritisch als ihr Produkt begreift. Sie agiert dann, was sie zu reflektieren hätte.“

Brückners Theorieverständnis bewegte sich aus der Dialektik von Innen und Aussen, von psychopolitischer Selbst-Welt-Reflexion, – eben: “Wage zu wissen!” (Und 1975 folge sein Buch: „Bewahre uns Gott vor irgendeiner Revolution – Die Ermordung des Staatsrats von Kotzebue durch den Studenten Sand“.) Seine geschriebene Theoriekultur wurde wenig verstanden, weil sie auch voraussetzte, sich selbst erkennen zu wollen und sich ändern zu wollen in der Praxis der damaligen Ansprüche, was damals eigentlich hätte allgemein bekannt sein sollen: „In der revolutionären Tätigkeit fällt das Sich-Verändern mit dem Verändern der Umstände zusammen“, Karl Marx, „Deutsche Ideologie“ Aber bereits sein Vorgänger Hegel hatte in der „Phänomenologie des Geistes“ gewarnt, dass das „Bekannte darum, weil es bekannt ist, noch nicht erkannt ist“. Und hatte Hegel die Begrifflichkeit als Entwicklung des philosophischen Denkens, also die Entwicklung des Bewusstseins, des Selbstbewusstseins und des Geistes und des Lebens überhaupt bis an die Grenze verdichtet, und vor den Verhältnissen des allgemeinen Denkens und gesunden Menschenverstandes gewarnt, so wendete Marx die idealistische Ausgangslage und breitete Mythos und Ekstase auf dem Boden der Tatsachen des Seins aus, welches das Bewusstsein bestimmt: „Wenn der Mensch von den Umständen gebildet wird, so muss man die Umstände menschlich bilden“ (Aus dem. lit. Nachl. 11). Das setzt voraus, das sich der Mensch selbst erkennt, ändert und menschlich bildet. Und hinsichtlich des Bewusstseins und des Geistes, der sich nach den Sieben Weisen entwickelte – Thales von Milet fragte: „Was ist der Mensch?“, und auf die Frage der Bürger an ihn, was das Schwerste im Leben sei, antwortete Thales: „Sich selbst erkennen“, und schliesslich fragte Sokrates: „Wer bin ich?“ -, um den sich-selbst-bewussten Neuen Menschen zu befördern: „Unser Wahlspruch muss also lauten: Reform des Bewusstseins, nicht durch Dogmen, sondern durch Analysierung des mystischen, sich selbst noch unklaren Bewusstseins“, Brief von Marx an Ruge.

Peter Brückner wurde zum Übertragungs-Projektions-Subjekt, Verehrungs-Aggressions-Objekt ersten Ranges für Linke und für Staatsmacht (Brückner war nicht “Freund und Unterstützer” von Ulrike Meinhof, wie Gerd Koenen schreibt, er wollte nur die auf der Flucht befindliche Gejagte nicht vor der Tür stehen lassen). Er wirkte mit Sanftmut und Liebenswürdigkeit in Sachen Blochscher „Wärmestrom“ als Menschlichkeitssucher: „Ein Mensch, das ist immer ein Inbegriff von Hoffnung“, war eine seiner ihm wichtigen Botschaften. Anerkennung hatte er, dünner Menschenliebe, durchaus benutzt bis ausgenutzt, Missgunst, Neid und Konkurrenz ausgesetzt … Er lebte grundsätzlich die Heideggersche „Sorge“ … Er wollte gerade kein „Vater“ „der“ 68er sein – und war es auch nicht -, vielmehr Gleichgesinnter, „Genosse“, Freund, war vielleicht einer der wenigen wirklichen Antiautoritären unter Autoritären-Antiautoritären … und blieb „einsam wandelndes Nashorn“ (Redewendung eines Buddha, Sinnbild für Tugend und Friedfertigkeit im Buddhismus). Und die „andere Seite“, die autoritäre Staatsmacht: Bereits 1972 wurde er wegen des Verdachts die RAF unterstützt zu haben vom Dienst suspendiert und stellvertretend für „die“ Antiautoritäre Linke wurde er verfolgt und versucht ihn zum Schweigen und zum Gehorsam (ausgerechnet er) zu zwingen – womit die tumbe Staatsmacht genau auf seine Verweigerungszentrale traf. Und 1977 wurde gegen Peter Brückner erneut von der niedersächsischen Landesregierung ein Disziplienarverfahren eingeleitet, weil er sich als als verbeamteter Professor an der Universität Hannover nicht von der anonymen Schrift eines Studenten, der sich „Mescalero“ nannte, und in der dieser von „klammheimlicher Freude“ in Zusammenhang mit einem Mordanschlag der RAF schrieb, distanzierte, sondern darüber eine sozialpsychologische Studie schrieb, die als Untreue und Ungehorsam wider den Staat vom Staat gewertet wurde, und nicht als wissenschaftliche Freiheit.

Peter Brückner, „Die Mescalero-Affäre – Ein Lehrstück für Aufklärung und politische Kultur“; der Text beginnt mit dem Satz: 

Es ist an der Zeit, innere Monologe zu veröffentlichen.

Was ist ein Ereignis? Eine mögliche Antwort wäre: das pure Geschehen, das einer als `Ereignis´ definiert, indem er es für seine Zwecke verwertet. Also: Die herrschende Klasse hat aus dem `Mescalero´-Text ein Ereignis gemacht, indem sie ihn gemäß ihrer eigenen Strategien interpretiert hat; z.B. als einen Aufruf zur terroristischen Gewalt oder als Billigung eines Attentats, und den entstellten Text entsprechend nutzt. Die Fälschung einer Absicht und die Verwertung dieser Fälschung für den eigenen Zweck, das wäre das `Ereignis´ (und nicht der verwertete Text)“.

Zu dem „Brückner-Skandal“ schriebt Jürgen Habermas unter dem Titel: „Der Fall Brückner ist ein Fall Albrecht“ in „Zum Beispiel Peter Brückner“: „Was jeden, der sich mit der Republik, vor allem auch mit den Perspektiven, die diese für unser Land verkörpert, identifiziert, am Fall Albrecht erschrecken muß, läßt sich mit wenigen Sätzen sagen.

Der erste Aspekt betrifft das Persönliche. Peter Brückner hat die beste Analyse des Göttinger `Mescalero´-Artikels vorgelegt, die ich kenne. Er hat an diesem Beispiel im Detail den geistigen Zustand eines Teils der jüngeren Generation aufzuklären versucht, ohne zu denunzieren, aber auch ohne zu verharmlosen. … Spätestens bei der Lektüre hätten (oder haben?) Albrecht und seine Berater bemerken müssen, daß sie es hier mit einem nachdenklichen, vielleicht auch nachdenklich geword-enen Mann zu tun haben. Gleichwohl haben sie alles daran gesetzt, Brückners moralische und wissenschaftliche Existenz zu vernichten – und dies, wie man annehmen muß, aus Gründen schierer Opportunität“.

Hans Mayer schreibt in „Zum Beispiel Peter Brückner“: 

Der `Fall Brückner´ – bzw. das, was die veröffentlichte Meinung … als `Fall´ plakatiert haben – wird in den Aufsätzen dieses Bandes in einer Weise analysiert, die an die Stelle von Verdächtigungen und Ahndung die Anstrengung des Begriffs und die Diskussion setzt. … Seit am Tun der Ärzte ebenso wie der Physiker der Konflikt einer praxislosen Wissenschaft als einer virtuell unmenschlichen erkannt wurde, kann praxislose Wissenschaft, ´interesseloses Wohlgefallen´ des Denkens am Denken gesellschaftlich nicht mehr toleriert werden. Ist dem aber so, dann hat Brückner als Lehrer und Forscher die Freiheit des Gelehrten erfüllt, nicht verraten“.

Wir können die Machtfrage nicht stellen”,

war eine weitere Botschaft, die Peter Brückner ab etwa 1971 jedem vorhielt, der es hören wollte und jenen, die es nicht hören wollten. Und bereits seit 1972 sprach Brückner über Aufklärung, Moral, humane Umgangsweisen und Manieren (!) hinsichtlich zwischenmenschlicher Verkehrsformen der Linken, worüber dann 1980 sein Artikel im Wagenbach-Verlag veröffentlicht wurde. Es geht um Aufmerksamkeit, Rücksichtnahme, Mitgefühl im Umgang mit anderen und deren Gefühlen, – die gescheiterte linke Bildungselite als Gegenöffentlichkeit gegen die bürgerliche Bildungselite, gleichviel die “transzendentale Obdachlosigkeit der bürgerlichen Welt” (Georg Lukács, “Theorie des Romans”, die Frank Schirrmacher sich mulmig fühlen lässt, wie er in seinem Artikel, „Tarnumhang“ in Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 15.8.2011 unter Stichwort „Bürgerliche Werte“ schreibt), wird von der `Avantgarde´ innerlich und im zwischenmenschlichen Umgang nachgeäfft, äusserlich rationalisiert.

„Zur Sozialpsychologie des Kapitalismus“: „Fragen des Gewissens erheben sich … mit grosser Kraft. Jedoch woran sich das Gewissen stösst, ist nicht, wie die bürgerliche (oder gar die christliche) Erziehung es will, das sittlich Böse, sondern das historisch Böse, das also, was Menschen einander geschichtlich antun; das Problem ist daher nicht Sünde, sondern Gewalt – die Gewalt von Herrschaft, Exploitation, Krieg. Denn Gewissen bildete sich im Mitgefühl mit den Opfern … Alle Widersprüche jener kindlichen Verkehrsform, von der ich ausging, erheben sich nun mit erwachsener Schärfe und – im guten Falle – mit weltgeschichtlichem Atem … Die Moral, die verändern will, macht den Einzelnen organisierbar, zumindest kooperationsbereit, eine Konsequenz schon des sozialen Charakters von Mitgefühl, Einfühlung und Rücksicht“.

„Versuch, uns und anderen die Bundesrepublik zu erklären“: „Der `Moralist´ vereinzelt sich; eine gleichfalls widersprüchliche Lage, wie wohl nicht erst begründet werden muss. Und eine Bewährungsprobe für linke Moral ist, wie und ob es Einzelnen gelingt – auch Einzelnen auf der anderen Seite, den `Gegnerfreunden´ -diese Widersprüche auszuhalten und in sich zu schlichten: ohne Kapitulation vor dem historisch Bösen, aber auch ohne Verzicht auf differenzierendes Bewusstsein und Einfühlung. Ja: ob wir uns ein Stück `aufmerksamer Rücksichtnahme´ auf andere erhalten, mag auch im historischen Konfliktfall mit zur Bewährungsprobe unserer Moral gehören“.

Pierre Bourdieu veröffentlichte kurz vor seinem Tod seine Abschlussvorlesung am Collége de France 2001: “Ein soziologischer Selbstversuch“,

Es gibt viele Intellektuelle, die die Welt in 
Frage stellen, es gibt wenige, die die
intellektuelle Welt in Frage stellen”.

Es war nun die Nachausserparlamentarische Zeit der Enttäuschungen und der Erschöpfung, der zwischenmenschlichen Stimmungsdepression und ausufernden Süchte nach Surrogate, des defizitären Konflikts als nervöse Zustände – „Bouvards und Pe´cuchets“ „Erregungszustände“ (Balzac) – und Brückners: „… agiert dann, was sie zu reflektieren hätte“ … „Aktionsform, als seiner Quellen nicht bewusstes Handeln, nicht mehr als Wissen nachweisbar“ … die Zeit diverser Funktionärsmentalitäten – Pöstchen statt Kritik und Protest … aufständische Phantasie durch Abwehr und Verdrängung ersetzt, Blochs „Überholen des Bestehenden“ wurde zum Sicheinholen ins Bestehende: Geschlossenheit statt Offenheit, Zwang, Gehorsam und Dogmatismus statt Selbstreflexion und Freiheit. Zwecks Maskierung der Stimmungsdepressionen und Süchte entstanden Andachtsstätten, -organisationen und -institutionen, Andachtskarrieren und Andachtsämter, ambivalente Andachtsrituale und Andachtsgruppierungen und innerparlamentarische Andachtsparteien mit Andachtswanderpredigern inkl. Andachtsgesichter und -styles Shakespeare´ Manier: „Abgöttischer Wahn ist´s, die Andacht grösser als den Gott zu machen“ („Troilus und Cressida“). – „… Grenzfall-Melancholiker verstehen, der seine depressiven Symptome unter Kontrolle halten … sehen durchaus hin und wieder das Nichts, zu dem alles führt. Ihr seelischer Apparat ist inzwischen elastisch genug, um den Dauerzweifel am eigenen Treiben als Überlebensfaktor in sich einzubauen. … Unter der tüchtig mitspielenden harten Fassade trägt er eine Menge leicht zu verletzendes Unglück und Tränenbedürfnis. Darin ist etwas von der Trauer um eine `verlorene Unschuld´ – von der Trauer um das bessere Wissen, gegen das alles Handeln und Arbeiten gerichtet ist. … Handeln wider besseren Wissens ist das globale Überbauverhältnis heute …“, Peter Sloterdijk, „Kritik der Zynischen-Vernunft“, 1983. – Aus widerständlerischen Hinterhof- und Rock-/Jazzkeller-Gesprächen wurden In-Restaurant- und Foyer-Herrenzynismen-Verkündungen, die „Denkweise von Renaissance-Höfen“ (Franz Böhm). Scham wurde verdrängt und verleugnet und linke Werte und Wissen wurden zu politisch-konsumistischen Entfremdungsprodukten fetischisiert – gegen besseres Wissen. Herrschende Sprachvariationen beherrschende JournalistenInnen, PolitikerInnen, Intellektuelle, Kulturschaffende, Entertainer/Performer der aktuellen globalen Überlebens-Selbsterfahrungs- (ohne Selbsterfahrung) WanderpredigerInnen-Bewegung wurde im Einklang mit „Erlöschen der (Selbst-)Reflexion“ (Brückner) imitiert und der überkommene plumpe Parademarsch-Stil und -Ton zugunsten eines modernen Trend-Marketing-Management-Kommunikations-Stils und einer ebensolchen Polit-Markt-Mission abgelöst, ohne traditionellen Gehorsam und die „Denkweise von Renaissance-Höfen“ zu reflektieren.

1980 schreibt Peter Brückner in seinem Buch, „Das Abseits als sicherer Ort“: 

Wie werden die `versunkenen Erfahrungen´ bewußt? Indem wir lernen, die Rätsel unserer Lebensgeschichte im Kontext der Geschichte unserer Gesellschaft zu lösen, und zwar im Detail … Das, vor allem, ist kritische Theorie“. 

Klaus Briegleb zitiert Brückner im selben Buch: 

Auch dies, die reflexartige, affektive Ausgrenzung des Zweiflers, ist eine Seite des Gehorsams“.

Eingangs hiess es: „Wurde denn überhaupt Theorie gemacht?“

Brückner schreibt darin: „… die Linke kann daher, als ein Produkt dieser Gesellschaft, einen Teil ihres Selbstverständnisses aus den Händen ihrer Feinde entgegennehmen, solange sie sich nicht selbstkritisch als ihr Produkt begreift. Sie agiert dann, was sie zu reflektieren hätte.“

Und er setzte als Fussnote hinzu:

„Mit dem Erlöschen der (Selbst-)Reflexion ist bürgerliche Herkunft dann bei Genossen nur noch in der Aktionsform, als seiner Quellen nicht bewusstes Handeln, nicht mehr als Wissen nachweisbar“.

März 2017

Rolf  Horst und C. Bölling-Bernays

Kulturwissenschaftliches Forschungs-Institut und Bildungs-Akademie „Geschichte des Friedens“ und „New-PeaceArt-Generation Project“, Zernien/Dannenberg/Hamburg

„Dämmerung“ und „Zerrissenheit“

Max Horkheimer: „Dämmerung – Notizen in Deutschland“
Text geschrieben 1926 bis 1931, verlegt 1933, 2018 = 85 Jahre
Geboren 1895, gestorben 1973, 2018 = 45 Jahre

Das ganze Universum ist völlig wahnsinnig!

© Robert Crumb

„Zerrissenheit“ wurde zu einem zentralen Deutungsbegriff von Dichtern und Schriftstellern über Deutschland Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, ausgelöst durch Heinrich Heine: „Lieber Leser, gehörst du vielleicht zu jenen frommen Vögeln, die da einstimmen in das Lied von Byronischer Zerrissenheit, das mir schon seit zehn Jahren in allen Weisen vorgepfiffen und vorgezwitschert worden … Ach, teurer Leser, wenn du über jene Zerrissenheit klagen willst, so beklage lieber, dass die Welt selbst mitten entzweigerissen ist. Denn da das Herz des Dichters der Mittelpunkt der Welt ist, so musste es wohl in jetziger Zeit jämmerlich zerrissen werden“ („Reisebilder und Reisebriefe“).
„Byronischer Zerrissenheit“ formulierte Heine aufgrund des zerrissen Charakters des Dichters Lord Byron: „Sie sind ein zerrissener Mensch, ein zerrissenes Gemüt, sozusagen ein Byron“.
Auf Heine folgten in den kommenden Jahrzehnten eine Reihe literarischer Produktionen von Dichtern und Schriftstellern in denen diese „Zerrissenheit“ thematisiert wurde, darunter von Nicolaus Lenau in „Die Albigenser“.

Ein Jahrhundert später, 1933/34, veröffentlichte Max Horkheimer seine „Notizen in Deutschland“, denen er den Titel „Dämmerung“ gab, und denen er einen Gedichtteil aus dem „Schlussgesang“ von „Die Albigenser“, von1842, von Nicolaus Lenau voran stellte:
„Woher der düstre Unmuth unsrer Zeit, 
Der Groll, die Eile, die Zerrissenheit? – 
Das Sterben in der Dämmerung ist schuld 
An dieser freudenarmen Ungeduld; 
Herb ist’s, das langersehnte Licht nicht schauen, 
Zu Grabe gehn in seinem Morgengrauen“

Max Horkheimer schrieb seine „Notizen in Deutschland“ zwischen 1926 und 1931.
In seiner „Vorbemerkung“ zum Erscheinen des Buchs heisst es 1933: „… sie (die Themen) beziehen sich immer wieder kritisch auf die Begriffe Metaphysik, Charakter, Moral, Persönlichkeit und Wert des Menschen, wie sie in dieser Periode des Kapitalismus Geltung besassen“.

Und im ersten Essay des Buchs von Horkheimer, ebenfalls mit dem Titel „Dämmerung“, schreibt Horkheimer: „Der Imperialismus der grossen europäischen Staaten hat das Mittelalter nicht um seine Holzstösse zu beneiden; seine Symbole sind durch feinere Apparate und furchtbarer gerüstete Garden beschützt als die Heiligen der mittelalterlichen Kirche. Die Gegner der Inquisition haben jene Dämmerung zum Anbruch eines Tages gemacht, auch die Dämmerung des Kapitalismus braucht nicht die Nacht der Menschheit einzuleiten, die ihr heute freilich zu drohen scheint“.

Heute dämmert der Menschheit wieder einmal ein Vorabend. Katastrophensignale zeichnen sich in der Dämmerung ab, von nebulösen Dunstgebilden über Zwielichtigkeiten bis hin zu kurzen gleissenden Blitzen, welche momentan die Dämmerung zum Tag machen. Geblendet und leichtfertig werden jedoch Realitäten und Warnungen mythologisiert und illusioniert, verhöhnt und ekstatisiert:

„Der Widerstand gegen das Reale
ist das oberste Dogma unserer Zeit.
Es geht um die Verlängerung und Perpetuierung
der ursprünglichen mythischen Illusion“
René Girard, „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz“

Es gilt bezüglich einer möglichen neuen, andersartigen, `modernen´ „Nacht der Menschheit“ wachsam zu sein.
Die Verfolgungs- und Vernichtungssysteme des Kolonialismus und des Nazismus und des Leninismus-Stalinismus-Maoismus sind tot – und leben doch weiter, modernisiert. Wie gewöhnlich tun sich auch gegenwärtig Vertreter der Bildungs- und Meinungselite schwer damit ins mögliche Neue zu sehen. „Zerrissenheit“ und Eigendünkel gehen vor Wissenssuche und Realitätsblick, – „Herb ist’s, das langersehnte Licht nicht schauen, / Zu Grabe gehn in seinem Morgengrauen“ …

„Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes – aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel“, Friedrich Nietzsche, „Jenseits von Gut und Böse“ … „Eine allgemeine, chronisch gewordene Übernervosität war … das Los jener tugendhaften Reingeistigen – und ihr System kam auf seine Spitze, als es die Ekstase als das Höheziel des Lebens und als den verurteilenden Massstab für alles Irdische nahm“, Friedrich Nietzsche, „Morgenröte“ …
„Das ganze Universum ist völlig wahnsinnig“, „Herr Natürlich“.

 

Das Elend der Welt

 das-elend-der-welt

 „Die Würde des Menschen ist unantastbar“

Artikel 1, Absatz 1, Grundgesetz

„In dieser propagandistischen Phase (Neue Soziale Bewegungen) erschienen für mich elegante Überlegungen zu Stilfragen als Luxus bürgerlicher Ästheten, die sich um das Problem der Moral in der Kunst herumdrücken“
Jörg Immendorf, 1973

DeutschLandundLeuteZeugen versteht als das Grundböse den Sachverhalt, dass in der gesamten Geschichte der Zivilisation ein Teil der Menschheit einen anderen Teil der Menschheit hat in Armut leben und sterben lassen.

Sei es, nach philosophischen, theologischen und psychologischen Auffassungen, wie diese seit der Antike interpretiert werden, aus menschlicher Unvollkommenheit, Schwäche, Irrtum und Sünde, Unvernunft, Bosheit, Torheit, kranker Seele (Ich-Schwäche, Psychopathie, Sadismus, Egoismus, Narzismus, Hass, Eifersucht, Neid, Rivalität, Gier, Grössenwahn), Hylismus, mania und mangelnde Weisheit, Dogmatismus und Ideologie, Zynismus, schliesslich der Wille zum Bösen, das „Malum morale“, das menschgemachte Böse, wie G. W. Leibniz es nennt.

Armut  wird hier nicht nur verstanden als Mangel zuförderst an gesunder Nahrung auf modernem Niveau, sondern auch als Mangel an Kleidung und Wohnung auf gesundheitlich modernem Niveau, sowie ebensolcher medizinischer Versorgung, schliesslich Mangel an Möglichkeiten sozialer Kommunikation, Unterhaltung, kultureller Erbauung, an sportlicher und kreativer und musischer Betätigung, und darüber hinaus insbesondere Mangel an Bildung des Herzens und des Geistes, und schliesslich Mangel an Zuwendung, Respekt und an Würde, die grundgesetzlich als unantastbar gilt.

Deutschland feiert 2009 das sechszigste Jahr des Bestehen des Grundgesetzes, und Deutschland wählt eine neue Bundesregierung.

„Was ist der Mensch?“

Immanuel Kant

„Es ist die uralte Frage der gerechten Verteilung zwischen Arm und Reich … wir sind auf dem Weg in eine Wolfsgesellschaft“,
Bischof Friedhelm Hengsbach, 2004

Warum gibt es seit Jahrtausenden Armut in der Welt? Und warum wird Armut heute nicht weltweit abgeschafft, obwohl wir `alles wissen´ und `alles können´? Denn der Reichtum der Welt würde alle Menschen, sogar die doppelte Anzahl von Menschen, oder mehr, ernähren, medizinisch versorgen, kleiden, mit Behausung versehen und bilden.

Da die Rettung der Welt vor ökonomischem, ökologischen und geistigem Zusammenbruch die aktuelle Menschheitsaufgabe überhaupt ist, geht es heute auch um die Geschichte der ungleichen Verteilung der erarbeiteten Überschüsse in Reichtum und Armut, welche die Menschheit vor etwa 10.000 Jahren relevant zu erwirtschaften begann und welche im Laufe der Jahrtausende und Jahrhunderte sich zu unermesslichen Reichtümern bis ins 21. Jahrhundert hinein steigerten, als eine Art Erfüllung der Suche nach den reichen Goldschätzen, wie es in den uralten Sagen und Märchen erzählt wird, die seine Finder zu den Mächtigsten, Reichsten, Schönsten der Welt machen.

Die Welt ist beherrscht von niederen Gefühlen und Affekten der Gier, des Hasses, des Neides, der Eifersucht, des Narzismus …, entäussert in Verfolgungen, Denunziationen, Hetze, Häme, Zynismen …, umgesetzt in Gewalt, Terror, Krieg, Folter, Menschenrechtsdesastern, skrupellosen Profitmaximierungen durch Ausbeutung und einseitige Verteilung, Korruption, Betrug, Menschenverachtung, Unrecht, mangelnde Bildung, Vernichtung von Naturressourcen, Umweltzerstörungen … und die Produktion von nie da gewesenen Reichtum und Armut.

Weltweit müssen rund eine Milliarde Menschen mit einem Dollar pro Tag auskommen, weitere fast zwei Milliarden Menschen haben weniger als zwei Dollar zur Verfügung. Fast eine Milliarde Menschen haben keine ausreichende Ernährung, an den Folgen von Unterernährung sterben täglich ca. 13.000 Kinder, insgesamt 25.000 Menschen. Ein Drittel der Weltbevölkerung wird nicht ausreichend versorgt, eine Milliarde Menschen hungern, und etwa 100 Millionen Menschen verhungern gegenwärtig jährlich. Der Direktor des Wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Universität der Vereinten Nationen (UNU-WIDER), Anthony Shorrocks, verglich die weltweite Verteilung des Vermögens mit einer Gruppe von zehn Menschen, in denen ein einziger 99 US-Dollar zur Verfügung hat und die anderen neun sich den restlichen Dollar teilen müssen.

Statistiken über Armut in Deutschland sind bekannt.

Am Anfang der Entwicklung der Menschheit  war Angst, Armut, Arbeit. Armut ist so alt wie die Menschheit. Armut, Hunger und Mangel sind geblieben, so alt wie die Menschheit geworden ist. Im Laufe der Geschichte ist Armut in verschiedenen Versionen aufgetreten: naturbedingte Armut, individuelle Armut, Gruppenarmut, Massenarmut, Armut durch Naturkatastrophen, Armut durch Kriege, Armut durch ungleiche Verteilung, durch wirtschaftliche, politische, bürokratische Massnahmen.

Die so genannte globale Finanzkrise 2008/09 ist nicht das erste grosse Symptom des „Proton Pseudos“ (Aristoteles, „Logische Schriften“, „Erste Analytik“): „erste Lüge, Grundirrtum, falsche Grundvoraussetzung, Quelle aller Irrtümer“. Das Symptom ist vielmehr der Krankheitsherd: „erste Lüge, Grundirrtum, falsche Grundvoraussetzung, Quelle aller Irrtümer“. Und das ist die mit dem Beginn der Arbeitsteilung im Neolithikum einseitige Wertaufhäufung, Wertbemessung und einseitig verteilte Reichtum und Armut, und die damit einher gehende Verteilung von Macht seit der Männergesellschaft, welche naturbedingte Armut, Armut durch Naturkatastrophen, nicht abschaffte, sondern sie durch wirtschaftliche, politische, bürokratische Massnahmen, einschliesslich Kriege, ersetzte und manifestierte, zur Steuerung der Gesellschaften. Ursache und Wirkung werden verwechselt: das  marktwirtschaftliche Produktions- und Verteilungssystem ist Ursache, die Finanzkrise Wirkung.

„Was darf ich hoffen?“

Immanuel Kant

„Für wie selbstsüchtig man den Menschen auch halten mag, es gibt nachweislich einige Grundlagen seines Wesens, die dazu führen, dass er sich für das Schicksal anderer interessiert, deren Glück ihm notwendig erscheint, obwohl er nichts davon hat ausser dem Vergnügen, es zu sehen“,
Adam Smith, „Theorie der ethischen Gefühle“, 1759

Am Anfang war natürlicher Mangel, Armut und Überlebenskampf der Steinzeitmenschen. Und um 150.000 v. Chr. begann sich der Homo Sapiens durchzuschlagen.

Drei Weltlebensweisen haben sich seit dem Neolithikum um 5.000 v. Chr. entwickelt: Reichtum, Auskommen/Wohlstand und Armut. Und weil Reichtum und Wohlstand Armut meidet, hat sich eine Zwischenwelt gebildet: Mildtätigkeit, individuell und organisiert in kleineren und grösseren Gruppen.

Reichtum und Wohlstand organisierten und steuerten die Gesellschaften wirtschaftlich, sozial, politisch und geistzeitlich. Verachtung für Arme und für die Arbeit der Handwerker, Bauern, kleinen Händler und für diejenige der Frauen in der Antike, für Sklaven, römische Proletari, für Frauen und Kinder, die Besitz der Männer waren, Männer, die Staat, Gesetze und Zeitgeist gestalteten.

Im Mittelalter wurde die Arbeit der Bauern, Handwerker und Händler dringend benötigt von den beiden herrschenden Ständen der Dreiständegesellschaft, dem Kleruns und dem Adel. Arbeit wurde nun als „ehrliche“ Arbeit gefordert und gnädig erlaubt, zur Versorgung der Herrenklassen. Und es gab einen inoffiziellen vierten Stand: Arme, Arbeitslose, Bettler, Prostituierte, Zuhälter, Diebe, Verbrecher, – und: Fahrendes Volk und arme Künstler. Die so genannte Bevölkerung, oder modern „die Menschen draussen“, „die Menschen auf der Strasse“, wurden in drei Gruppen eingeteilt: die nützlichen arbeitenden Menschen, die kranken, arbeitsunfähigen Menschen, und die `Drückeberger´, Arbeitsunwilligen.

Derart wurde erstmals im grossen Stil das grosse Thema „Soziales Milieu“ konstruiert: Kontrollen, Disziplinierung, Repressionen, Verdachts- und Verfolgungs-Atmosphäre gegen Arme eingeführt. Sowohl wurde die Spaltung durchgesetzt zwischen arbeitenden würdigen und nichtarbeitenden unwürdigen Menschen, in der Regel arbeitslosen Menschen aus Mangel an Arbeit, Krankheit, Behinderung, unterbeschäftigte und unterbezahlte Menschen, bis hin zu Verfolgungs- und Vernichtungsekstasen von Frauen, `Ausländern´, fahrendes Volk, ungeliebte Künstler und Intellektuelle, Juden als Sündenböcke.

Die Bürokratisierung und Pädagogisierung des Volkes wurde organisiert, Armenfürsorge als Erziehung zur Arbeit, Arbeit als Rezept gegen Armut definiert, und wer keine Arbeit hatte, krank oder alt war, oder als Fahrendes Volk umherzog, statt einen festen Wohnsitz zu haben, oder wer künstlerisch arbeitete, war verdächtig und galt als arbeitsscheu, gar kriminell. Fürst von Metternichs Verständnis der `Kategorie´ Mensch begann beim Freiherrn, bei Griechen und Römern waren nur reiche Besitzende Menschen.

Nachdem Armut in der bisherigen Menschheitsgeschichte als eine Art naturgegebener oder gottgewollter Zustand hingestellt wurde, wird im Übergang vom Spätmittelalter zum Industriezeitalter Armut als strukturelle Massendisposition im gesellschaftlichen Gefüge organisiert. Breite Bevölkerungsschichten werden vom gesellschaftlichen wachsenden Finanzkapital und Produktionsreichtum abgehängt.

im 17. Jahrhundert entsteht der Begriff „Erfolg“, den es bis zum Ende des Mittelalters nicht gab. Mit dem aufsteigenden Bürgertum beginnt Konkurrenz, Männer sind nun erfolgreich, oder nicht. Die Anfänge der Winner-Loser-Kultur. Statt erfolgreich aus Gottes Gnade zu sein, ist man es nun durch ökonomischen Erfolg. Damit wurden die Armen ausgegrenzt.

Der Begriff „Profit“ wird allgemein und von Baruch de Spinoza bis dahin gebraucht als „es nützt der Seele … es nützt der Entwicklung des Menschen“. Erst hundert Jahre später wird der Begriff gepriesen, um einseitigen ökonomischen Vorteil zu bezeichnen.

Mit der massenhaften Enteignung der Landbevölkerung, der Aufwertung des Geldes im Verhältnis zu gegenständlichem Besitz und der Konzentration von Kapital als Privatbesitz bei Wenigen, verbreitete sich im 18. und 19. Jahrhundert massenhafte Verelendung bei der durch die Umwälzung entstandene Klasse des Proletariats, und offenbarte endgültig die Mangelhaftigkeit der wirtschaftsgesellschaftlichen Struktur sowie das Unrecht des zivilisierten Systems.

Der Begriff Pauperismus entstand nun als sich verheerende Massenarmut ausbreitete. Lohnarbeiter und Lohnarbeiterinnen, Kinder, Handwerker konnten kaum noch für ihren Lebensunterhalt sorgen, trotz zeitaufwendigem und hartem Arbeitseinsatz, und diejenigen, die durch die vorangegangenen Enteignungen ohne Arbeit waren, verarmten vollends.

So war 1848 auch das Jahr des Beginns von Auswanderungswellen von Europa in die USA. Sozial und gesellschaftlich unzufriedene, arme Bürger Deutschlands, hungernde Iren, arme Skandinavier, Russen, Italiener suchten in den USA ein besseres Leben. Für die europäische Gesellschaftsordnungen bedeutete die Abwanderung von Arbeitern, Arbeiterinnen, Hausfrauen, Hausmädchen und Handwerkern durchaus eine ökonomische und politische und auch eine kulturelle Bedrohung für Europa.

Und ebenfalls im Jahre 1948 schrieb der Mönch Antonio Rosmini-Serbati ein Buch, in dem erstmals nach dem Vorbild von Franz von Assisi aus den Reihen der Kirche soziale Gerechtigkeit geforderte wurde. Der Papst verbot das Buch.

Dieses 19. Jahrhundert war nicht nur eine Zeit von gesellschaftlichen, ökonomischen, geistigen und kulturellen Krisen, sondern es steigerte rücksichtslose Profitmaximierung und einseitige Verteilung, brachte Wirtschaftskrisen, Armut, Elend und Nationalismus, die Weltkriege, Völkermorde und Diktaturen des 20. Jahrhunderts hervor.

Mit der Armengesetzgebung im 19. Jahrhundert wurde die Spaltung zwischen Bürgertum, Arbeiterschaft und Armen festgeschrieben. Die sozialstaatlichen Massnahmen, bedrängt durch politische Einflüsse der sozialen Bewegungen und der Gewerkschaften, gaben der Armut mildernde Umstände und implantierten diese als sozialstaatliche `Normalität´. Michel Foucault führt aus, dass im 19. Jahrhundert die vier grossen Strategien der Macht manifestiert wurden: Sexualisierung des Kindes durch die Pädagogik, Regulierung des Bevölkerungswachstums in den Familien durch die Sozialwissenschaften, Hysterisierung der Frau durch die Medizin und Spezifizierung der „Abweichler“, „Perversen“ durch die Psychiatrie.

Die älteste Strategie der Macht ist wohl die Ausbeutung der Frau, sowie diejenige der Kinder, mit der Folge der allgemeinen Ausbeutung und gesellschaftlich, staatlich organisierter Armut. Und ab dem 19., 20. und im 21. Jahrhundert arbeitete und arbeitet der industrielle Mensch am Überfluss und begehrt diesen als Substitut und Symbol für seine natürlichen Bedürfnisse, wenn er nicht als Leiharbeiter, Eineurojobber, Geringverdiener oder gar als Arbeitsloser, Sozialhilfeempfänger, Hartz-4-Empfänger oder als Bettler ums Überleben kämpft, und in den armen Ländern verhungert oder an Seuchen und durch Kriege stirbt.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff „Klasse“ für Arbeiter und Armut verbannt und von „Neuer Armut“ gesprochen. Beides änderte nichts.

Entwürdigung und Manipulation des Menschen, Unterdrückung und Un- und Einseitig-Bildung, ökonomische Ausbeutung und Zerstörung von Menschen und den anderen Naturen, Unrecht, Gewalt, Folter, Verfolgungen, Massenmorde und Kriege, Hunger und Verhungerungs-, Krankheits-, Seuchen-Katastrophen. Der industrielle Globalismus hat zu mehr Armut und Elend geführt, sowohl in den armen wie in den reichen Nationen, unterschiedlich dramatisch, obwohl die Kapazitäten der Industrienationen alle Menschen, sogar die doppelte Anzahl von Menschen ernähren, medizinisch versorgen, kleiden und mit Behausung versehen und bilden könnte.

In der modernen Konsumismus-Gesellschaft bringt nur der den Verwaltern von Besitz und Kapital Gewinn, der Arbeit hat. Er produziert Mehrwert und konsumiert Waren. Tugendhaft ist nicht mehr nur der Besitzende, und auch nicht zusätzlich der Arbeitende, sondern insbesondere der Konsumierende. Untugendhaft ist jetzt der Arbeitslose als Nichtkonsumierender, in Erweiterung des Sozialen Milieus im Mittelalter.

Der Geschichtsschreiber Plutarch fragt vor über 2.500 Jahren in „Das Gastmahl der sieben Weisen“, was der beste Staat sei, und die Sieben Weisen antworten, darunter Thales von Milet, der als erster Philosoph gilt:
„Der weder allzu Reiche noch allzu Arme hat“

„Was kann ich wissen?“

Immanuel Kant

„Sei misstrauisch gegen den, der behauptet, dass man entweder nur dem grossen Ganzen oder überhaupt nicht helfen könne. Es ist die Lebenslüge derer, die in der Wirklichkeit nicht helfen wollen und die sich vor der Verpflichtung im einzelnen bestimmten Fall auf die grosse Theorie hinausreden. Sie rationalisieren ihre Unmenschlichkeit. Zwischen ihnen und den Frommen besteht die Ähnlichkeit, dass beide durch ‘höhere‘ Erwägungen ein gutes Gewissen haben, wenn sie dich hilflos stehen lassen“,
Max Horkheimer, „Dämmerung, Notizen in Deutschland“, 1934

Seit es Menschen gibt, gibt es Altruismus. In den „biophilen“ (Erich Fromm)Frauengesellschaften vor tausenden Jahren war gegenseitige Hilfe Alltagsleben. Seit dem Umschlag zu Männerherrschaften im Wandlungsprozess der Neolithischen Revolution zwischen etwa 20.000 und 3.000 v. Chr. wurde gegenseitige Hilfe zur Ausnahme. Drei Weltlebensweisen haben sich also seit dem Neolithikum entwickelt: Reichtum, Wohlstand und Armut. Und weil Reichtum und Wohlstand Armut meidet, hat sich eine Zwischenwelt gebildet: Mildtätigkeit, individuell und organisiert.

Allgemein wird das Verhältnis zu Armut  rationalisiert und bürokratisiert. Gerne wird im Stil der „Denkweise von Renaissance-Höfen“ (Franz Böhm) doziert, Armut sei „relativ“ (für wen?), und „die müssen sich eben was einfallen lassen“, und „mit Phantasie“ sollten die Menschen ihre Probleme selbst in die Hand nehmen, „anstatt zu warten, dass andere sie lösen”, für Künstler und teilweise Intellektuelle „brotlose Kunst“, und: “Der Kapitalismus – ich bin auch dagegen – aber die meisten finden es ganz prima, so lange es ihnen dabei gut dabei geht“, Klaus Staeck mit plakativem Blick, Diskussion in der Akademie der Künste Berlin, 2008.

Derart beginnt sich zur Zeit die Atmosphäre des mittelalterlichen Sozialen Milieus neu durchzusetzen: Kontrollen, Disziplinierung, Repressionen, Zynismen, Ausgrenzung, Verachtung, Verdächtigungen, Verfolgungen und Strafen gegen Arme.

Kritik an Armen in den reichen Ländern, nicht nur diejenige Kritik, welche die Auffassungen vertritt, „wer arbeiten will, der findet auch Arbeit“, „die leben auf Kosten anderer“, „sind nur zu faul zu arbeiten“, „die sind selbst schuld“, „sich mal ein bisschen einschränken hat noch niemandem geschadet“, usw., vielmehr wird nun ein „Tabuthema“, wie es jüngst genannt wird, gebrochen, nämlich dass die durch freiwillige Helfer und Spenden von Privatleuten und von Industrie-Sponsoring betriebenen „Suppenküchen“, „Kleiderkammern“ und „Sozialkaufhäuser“ dazu führen, dass Arme nicht lernen mit der staatlichen Geldhilfe umzugehen und sie unselbstständig werden, ihre Probleme nicht selbst in die Hand nehmen, sondern „warten, dass andere sie lösen”.

Es gibt Bürokraten, die am Schreibtisch ausrechnen, wie viel Geld ein Mensch in Deutschland zum (Über-) Leben benötigt. Und es gibt Menschen, meist Journalisten und Journalistinnen, die freiwillig die Mühen auf sich nehmen, einige Wochen das Armenleben der Hartz-4-Unterstützung zu leben. Jedoch geht es nicht nur um ein Armenleben von ein paar Wochen, sondern es geht um das Entscheidende überhaupt: Das ständige Nichtwissen des Armen darum, ob dieser Zustand der Armut und Ausgrenzung je aufhören wird; – und darüber hinaus auch die Angst der Arbeitenden, Hartz 4 anheim zu fallen.

Zur Zeit wird der Realität verdrängende und abwehrende Trotz europäischer u.a. Politik-Trend-Marketing-Wanderprediger vom schwarz-amerikanischen Gospel-(dadurch unterscheidet er sich von Abraham Lincoln)-Wanderprediger Barack Obama beeinflusst. Wohin das führen wird, ist offen.

In der theologischen Predigtlehre, griechisch Homiletik genannt, die Kunst des Umgangs, wird traditionell unterschieden zwischen dem Wesen der Predigt, dem Inhalt und der Gestaltung derselben. Mit dem Globalismus werden neuerdings der oder die SprecherIn, das Publikum und der Ort als wichtiges Kriterium hervorgehoben.

Der Ort und das Publikum sind nun die globalisierte Welt, und der oder die Sprecherinnen werden medial als Trend-Marketing-WanderpredigerInnen für „die Menschen draussen“, „die Menschen auf der Strasse“ inszeniert.

„Was soll ich tun?“

Immanuel Kant

Michel Treguer:
„Am Anfang unseres Gesprächs sagten Sie, es würde in den mächstigsten Ländern nur einiger bedeutender Menschen guten Willens bedürfen, um `die Menschheit wieder auf die richtige Bahn zu lenken´, um die Reichen dazu zu bewegen, die Armen zu ernähren, etc. Die Schwierigkeit besteht darin, den Mimetismus umzudrehen, ihn in den Dienst des Guten und nicht weiterhin in den des Bösen zu stellen: mehrere Menschen, alle, müssten sich gleichzeitig ändern, gleichzeitig gut und barmherzig werden …

René Girard:
Es gäbe nichts Leichteres, wenn wir nur wollten: wir wollen aber nicht. Die Menschen mit ihrem konstanten Paradox, ihrer Unschuld und ihrer Schuld zu verstehen, läuft darauf hinaus, zu begreifen, dass wir alle für diesen Zustand verantwortlich sind, da wir, im Unterschied zu Christus, nicht daran sterben.“

René Girard, „Wenn all das beginnt …“, ein Gespräch mit Michel Treguer, 1994

Wir wissen alles, – über Armut und Reichtum in der Welt, über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, über Gut und Böse, über „Das Elend der Welt“.

Wir wollen aber nicht, die Übel abschaffen, obwohl wir alles wissen und alles können (wie Barack Obama treffend verkündet).

Was ist Wissen?: etymologisch stammt der Begriff von und bedeutet erblicken, sehen, gesehen haben, ich habe gesehen, erkennen, ich weiss, bewusst, weise, Gestalt, Urbild und Gewissen.

Der Begriff Gewissen stammt von griechisch „syneidêsis“ (lateinisch „conscientia), und bedeutet ein verstärktes Wissen und Bewusstsein, nämlich Mit-Wissen.

Die antiken Griechen lehrten, dass es für jedes sittlich schlechte Verhalten gegenüber Göttern und Menschen einen „Zeugen“, den inneren Mitwisser gäbe. Und Sinn dieses Wissens, Bewusstseins, Mit-Wissens ist Verantwortung, mit Vernunft und freiem Willen. „Der Wille ist der Geschlechtscharakter des Menschen, und die Vernunft selbst ist uns die ewige Regel desselben“, Friedrich Schiller, „Über das Erhabene“.

Der Verantwortungs-Ethik-Praktiker Jean Ziegler sagt: „Wir leben in einer absolut mörderischen Weltordnung … und gegen die muss man andenken, anreden, an-analysieren. Das Denken befreit die Freiheit im Menschen. Was der dann mit seiner Freiheit tut, das ist das Mysterium der Geschichte“.

Die Freiheit Bildender-Künstler, armer, wohlhabender, reicher, kann darin bestehen, in dieser un-„propagandistischen Phase .. elegante Überlegungen zu Stilfragen als Luxus bürgerlicher Ästheten, die sich um das Problem der Moral in der Kunst herumdrücken“ (Jörg Immendorf) und sich in Trend-Marketing-Mechanismen ergehen, die Moral in der Kunst wieder ins Auge zu fassen und die Bilder öffentlich predigen zu lassen.

DeutschlandundLeuteZeugen

„Der Widerstand gegen das Reale ist das oberste Dogma unserer Zeit. Es geht um die Verlängerung und Perpetuierung der ursprünglichen mythischen Illusion“,
René Girard, „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz“

Armut und Bildende-Kunst (wie andere Künste) geht seit jeher zusammen. Sowohl als dokumentierende Zeugen von Armut, wie als Arme selber (von Ausnahmeminderheiten abgesehen).

Die bekannte älteste direkte Darstellung des Begehrens nach Nahrung mag die etwa 12.000 Jahre alte Felsenmalerei aus einer Höhle bei Cueva de Arania bei Valencia sein. Ansonsten dreht sich ein Grossteil der Höhlenmalerei um Nahrung und deren mystisch-religiöse Verherrlichung, als ein emotionales totemistisches Verständnis von Verwandschaft mit der Natur, den Tieren. Bis heute werden der Festtagsbraten, das Osterlamm, die Weihnachtsgans, der Silvester-Karpfen, der Thanks-giving-Truthahn, die Geburttagstorte, das Ei, der Leichenschmaus, als Sakralisierung der Nahrung geheiligt. Und in jüngster Zeit zelebrieren Fernseh-Medien Kochsendungen auf allen Kanälen täglich und mehrmals, angesichts der so genannten Neuen Armut, um die Objekte des Begehrens gegen den Mangel zu beschwören, prinzipiell nicht anders, als ein archaischer Zauberer, Schamane, welcher in der ökonomischen Magie natürliche Werte und Wertsachen zelebriert, das Wachsen von Pflanzen, der Reichtum von Landtieren und Fischschwärmen schildert, und die Wörter werden vom Magier immer in der dem Thema und Ziel entsprechenden Leidenschaft agiert (heute von FernsehköcheInnen).

Bildende-Künstler haben Nahrung und individuelle und gesellschaftliche Armut, Hunger, Not, Schrecken, Tod, Verzweiflung in der Menschheitsgeschichte als Bilder und Skulpturen `gebannt´, als Mit-Wisser, Gewissen und Zeugen der gesellschaftlichen Verhältnisse, die am Rande des Blickwinkels vegetiert – „Das Elend der Welt“ (Pierre Bourdieu).

Kant hatte das Gefühl des Schönen als „interessenloses Wohlgefallen“ definiert, weil es sich nicht auf einen wirklichen Gegenstand, sondern auf die Vorstellung desselben bezieht.

Nach Hegel dann befreit die Kunst die „Ohnmacht der Natur“ aus ihrer Unvollkommenheit, mittels einer Inhalts-Ästhetik, als eine „besondere Art und Weise des Scheins, in welchem die Kunst dem in sich selbst Wahrhaftigen Wirklichkeit gibt“.

Derart ist die Kunst bei Hegel am Ziel der drei Epochen der Kunst: „Bestehen im Erstreben, Erreichen und Überschreiten des Ideals als der wahren Idee der Schönheit“.

Diese ist die griechisch-antike Kunst, die ebenfalls Goethe, Schiller, Wilhelm von Humbold und Marx feiern, als unwiederbringlich vergangenen naiven Gipfel der Kulturentwicklung.

Hegels Wertschätzung der Antike ist diejenige als Ausdruck des absoluten Geistes, der absoluten Wahrheit. Und Hegels „Ende der Kunst“ bezieht sich auf ihre Bedeutung für die Erkenntnis des Wahren: „Man kann wohl hoffen, dass die Kunst immer mehr steigen und sich vollenden werde, aber ihre Form hat aufgehört, das höchste Bedürfnis des Geistes zu sein.“

Als mit dem 20. Jahrhundert  das moderne „Eiserne Zeitalter“ anbrach, wurden die Linien und Formen in der bildenden Kunst kantiger: Futurismus, Expressionismus und Kubismus, Dadaismus und Konstruktivismus. Kasimir Malewitsch schrieb 1916: „Unsere Welt der Kunst ist neu geworden, gegenstandslos, rein. Alles ist verschwunden; geblieben ist die Masse des Materials, aus dem sich die neue Form aufbauen wird.“

Das vormals romantische wie unterdrückte Ich stellt sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert sich selbst gegenüber, mit der Masse des Materials der Volksphantasien der neuen Zeit: Übergang vom Adel zum Bürgertum, von der Handarbeit zur Industrialisierung, in der Gesellschaftsphilosophie, in der Psychoanalyse, in den Bildenden-Künsten, – das „Schwarze Quadrat“, sowie Kreis, Kegel und alle Formen, Hohlraum, leere Oberfläche, Dada: das Experiment Selbstauflösung.

„Alles hat vom Objekt seinen Ausgang genommen“, schreibt Jean Baudrillard. In der gegenwärtigen Gesellschaft des Spektakels jedoch wird alles zu Zeichen, die gegeneinander austauschbar sind, die Beaudrillardsche „Simulation“ von Politik, von Gesellschaften, Kultur und Kunst. Im Zeitalter der Globalisierung werden Kunst und Kommunikation immer mehr miteinander verbunden. Die Popart wurde, nach Duchamp, durch den Gross-Simulator von Ästhetik, Andy Warhol, neu inszeniert, indem er eine mystische Simulation der post-figurativen Welt als „anthropologisches Ereignis“ (Beaudrillard) schuf.
Paul Cezanne, um 1900

„Es steht schlecht. Man muss sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will. Alles verschwindet.“
Käthe Kollwitz, 1922

„In solchen Augenblicken, wenn ich mich mitarbeiten weiss in einer internationalen Gemeinschaft gegen den Krieg, hab ich ein warmes, durchströmendes und befriedigendes Gefühl. Freilich, reine Kunst in dem Sinne wie zum Beispiel die Schmidt-Rottluffsche ist meine nicht. Aber Kunst doch. Jeder arbeitet, wie er kann. Ich bin einverstanden damit, dass mei-ne Kunst Zweck hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind. Viele fühlen jetzt die Verpflichtung, wirken und helfen zu wollen, aber mein Weg ist klar und eindeutig: andere gehen unklare Wege.“
Otto Dix, 1963

„Das musste ich alles ganz genau erleben… Ich bin so ein Realist, wissen Sie, dass ich alles mit eignen Augen sehen muss…“
Gerhard Richter, 1966

„Nachdem es keine Priester und Philosophen mehr gibt, sind die Künstler die wichtigsten Leute auf der Welt.“
Jörg Immendorf, 1973

„In dieser propagandistischen Phase (Neue Soziale Bewegungen) erschienen für mich elegante Überle-gungen zu Stilfragen als Luxus bürgerlicher Ästheten, die sich um das Problem der Moral in der Kunst herumdrücken.“
Joseph Beuys, 1983

Die einzig revolutionäre Kraft ist die Kraft der menschlichen Kreativität. Die einzig revolutionäre Kraft ist die Kunst.“
Bazon Brock, 1989

„Der Geist der Zeit, der Zeitgeist, wird in erster Linie durch die Zukunftserwartungen einer Gesellschaft in einer Epoche bestimmt. Das ist die Definition, auf die ich mich jetzt hier ausrichte. Vielleicht ist der Zeitgeist überhaupt nichts anderes als die Gestalt der Zukunftserwartungen einer Zeitgenossenschaft. Zwar unterscheiden sich die konkreten Lebensformen der Menschen einer Epoche erheblich, aber in ihrer Einschätzung der Zukunft gleichen sie sich doch erstaunlicherweise wieder an. Denn was die einen nämlich als Zukunft herbeisehnen, das fürchten die anderen, und auf diesem Wege wird, trotz aller Unterschiede in den Lebensformen, diese merkwürdige Übereinstimmung in vielen Haltungen und Einstellungen erklärbar. Die Furcht vor und die Hoffnung auf die Zukunft treten nämlich immer verschwistert auf, eben als Zeitgeist, dessen Kräfte alle erfassen, weil nämlich positive und negative Einschätzungen der Erwartungen sich ja wechselseitig hervorbringen und auch bedingen.

In den Entwürfen der Künstler für die dreissiger, vierziger, fünfziger, sechziger Jahre tritt uns, von heute aus gesehen, jeweils der Zeitgeist als die eigentliche Kraft der Gestaltung, des Formwillens als Vision und Wertung, als Wunsch entgegen. Diese Entwürfe zeigen uns, welches Bild einer Zukunft die Zeitgenossen hatten, und mit diesen Zukünften, die heute ja längst vergangene Zukünfte sind, den Hoffnungen und Befürchtungen konfrontiert zu sein, teilt sich uns in den Entwürfen als kollektive Kraft der Epoche, als deren Zeitgeist mit. Darin aber, so sagt man, liegt unter anderem auch ein wesentlicher Aspekt des künstlerischen Wertes solcher Arbeiten. Sie lassen uns nämlich die unsichtbaren und die un-fassbaren Antriebskräfte erahnen, die die jeweiligen Zeitgenossen beherrschten.“

Was ist der Zeitgeist heute? Der Ernstfall ist eingetreten, das Dicke Ende ist da: Armut, Armut, Armut, Bildungs- und Geistlosigkeit, Desensibilisierung, Verfolgungen, Denunziationen, Hetze, Häme, Zynismen …, umgesetzt in Gewalt, Terror, Krieg, Folter, Menschenrechtsdesastern, skrupellosen Profitmaximierungen durch Ausbeutung und einseitige Verteilung, Korruption, Betrug, Menschenverachtung, Unrecht, mangelnde Bildung, Vernichtung von Naturressourcen, Umweltzerstörungen … und die Produktion von nie da gewesenen Reichtum und Armut.

„Es wird nun nicht nur das Gute in uns verdrängt, sondern – wie mir scheint – zum grossen Teil auch die Wahrheit. Wir leben in einer Weit, die einem Kehrichthaufen von Illusionen und Schwindet gleicht. … Wir verdrängen nicht so sehr das Schlechte in uns, sondern weigern uns, die Wahrheit zu sehen, die wir eigentlich alle kennen. Denn ich glaube, im Grunde genommen wissen wir alles … denn wenn die Menschen die Wahrheit sehen würden, müssten sie anders handeln, und wenn sie anders handeln würden, dann könnten sie nicht so bleiben wie sie sind, und dann gerieten sie in einen Konflikt mit der Gesellschaft, mit ihrem Erfolgsstreben, mit vielen, vielen Dingen, die ihnen heilig sind. Und deshalb ist es fast zwangsläufig, dass man zwar die Wahrheit weiss, aber gleichzeitig dieses Wissen von der Wahrheit verdrängt. … am meisten verdrängen, das ist die Wahrheit, weil die für unsere ganze Lebensweise das Gefährlichste ist“, Erich Fromm, „Das Undenkbare, das Unsagbare, das Unaussprechliche“,1978.

Vor tausenden Jahren missbilligten Götter die Menschenwelt und haderten mit ihr. Nun begreifen die Menschen, dass es nicht weitergeht wie gehabt. Um den Nichtbegreifenden die Lage begreiflich machen zu helfen, haben die Künste und derart die Bildende Kunst eine Aufgabe mitzuwirken und nebenbei die Frage praktisch aus der Spekulation zu befreien, ob Kunst etwas verändern kann oder nicht, –
„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar“, Paul Klee
– an Veränderungen mitwirken dürfte sie können:

„In dieser propagandistischen Phase erschienen für mich elegante Überlegungen zu Stilfragen als Luxus bürgerlicher Ästheten, die sich um das Problem der Moral in der Kunst herumdrücken“, Jörg Immendorf.

„Das Elend der Welt“ – DeutschLandundLeuteZeugen könnte dem Mimetismus und dem Widerstand gegen das Reale ein wenig mit ins Handwerk puschen und zum Wachsen des Wollen mit beitragen, – mit der kommunikativen Kraft der Bildenden-Kunst durch Künstler und Künstlerinnen als Mit-Wisser und Zeugen der Zeit.

Initiativen:

www.kunststimmen-gegen-armut.de

– Aktion „Kunst trotz(t) Armut“ des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland e. V.

– Museum Moderner Kunst Wörlen Passau

sowie Initiativen von Einzelnen und Hilfs-Gruppen und -Organisationen.

S. Bernays und Rolf Horst möchten Kunst-Akademien und Kunst-Schulen, Kunst-Galerien, Kunst-Sammlern, Kunst-Mäzenen, Kunst-Kritikern und Künstlern und Künstlerinnen, Kulturschaffende sowie Journalistinnen und Journalisten, Politiker und Politikerinnen, Manager und Managerinnen, und allen die sich angesprochen fühlen, den Vorschlag machen, sich vielleicht noch akzentuierter einer „kollektiven Kraft der Epoche“ zu widmen, sodass „die unsichtbaren und die un-fassbaren Antriebskräfte … die die jeweiligen Zeitgenossen“ (Bazon Brock) entfalten können, dem „Widerstand gegen das Reale“ als „das oberste Dogma unserer Zeit“, als „die Verlängerung und Perpetuierung der ursprünglichen mythischen Illusion“ (René Girard), die in allen Epochen dominierte, zum entmystifizieren des Bewusstseins der Zeit und solcherlei Taten mit-zu-verhelfen.

Das Pauperistische Manifest

Worum es geht
„Achte, wo du hintrittst !
Geh so, dass du mit deinen Sohlen nicht
Die Köpf´ zerdrückst der unglücksel´gen Menschen!“
Dante Alighierie, „Die Göttliche Komödie“, „Die Hölle“, XXXII. Gesang
Max Horkheimer und Theodor Adorno fragten 1947 in ihrer Schrift „Dialektik der Aufklärung“, warum die Menschheit zunehmend in Barbarei treibt, obwohl alle geistesgeschichtlichen, sozialen, technischen Bedingungen und Reichtum für eine emanzipierte humane Gesellschaft vorhanden sind.
Wir wissen alles, – über Armut und Reichtum in der Welt.
Wir wollen aber nicht, – diese abschaffen.
Was ist Wissen?: etymologisch stammt der Begriff von und bedeutet „erblicken, sehen, gesehen haben, ich habe gesehen, erkennen, ich weiss, bewusst, Wissen, bis zu weise, Gestalt, Urbild und Gewissen.
Der Begriff Gewissen stammt von griechisch „syneidêsis“, ins lateinische Übertragen „conscientia“, und bedeutet ein verstärktes Wissen und Bewusstsein, nämlich Mit-Wissen.
Die antiken Griechen lehrten, dass es für jedes sittlich schlechte Verhalten gegenüber Göttern und Menschen einen „Zeugen“, den inneren Mitwisser gäbe. Und Sinn dieses Wissens, Bewusstseins, Mitwissens ist Verantwortung.
Am Anfang war Angst, Armut Arbeit. Armut ist so alt wie die Menschheit. Armut, Hunger und Mangel sind geblieben, so alt wie die Menschheit geworden ist. Im Laufe der Geschichte hat Armut verschiedene Qualitäten und Quantitäten entwickelt: naturbedingte Armut, individuelle Armut, Gruppenarmut, Massenarmut, Armut durch Naturkatastrophen, Armut durch Kriege, Armut durch Mein und Dein, durch wirtschaftliche, politische, bürokratische Massnahmen.
Und Hunger nach besserem Leben offenbart sich von Anbeginn als das allgemeinmenschliche Selbstbewegungseine, welches das Wesen, das Erste, die Ursache von allem ist, um im Sinne der antiken Philosophen zu formulieren. Der Mensch ist an sich ein Mangelwesen. Was das Tier direkt bewältigt, muss der Mensch umständlich über Umwege im Laufe von Jahrtausende über geistige, seelische, künstlerische, kulturelle, wissenschaftliche und  technische Entwicklungen vollbringen. Dennoch ist Armut geblieben.
Am Anfang war der Mangel, die Armut und der Überlebenskampf der Steinzeitmenschen, und ab etwa vor 150.000 Jahren schlug sich der Homo Sapiens durch. Nach der Neolithischen Revolution zwischen 20.000 und 3.000 v. u. Z., je nach Region, arbeitete der Mensch am besseren Leben, wenn er nicht als Sklave, römischer Proletari, später Frohnarbeiter, als Leibeigener, ab der Industriellen Revolution als Proletarier verdingt war, oder er gar ohne Arbeit war, als Bettler vegetierte, und gleichzeitig arbeitete er an seinem Untergang.
Und ab dem 19., 20. und im 21. Jahrhundert arbeitete und arbeitet der industrielle Mensch am Überfluss und begehrt diesen als Substitut und Symbol für seine natürlichen Bedürfnisse, wenn er nicht als Leiharbeiter, Eineurojobber, Geringverdiener oder gar als Arbeitsloser, Sozialhilfeempfänger, Hartz-4-Empfänger oder als Bettler ums Überleben kämpft.
Der industrielle Globalismus hat zu mehr Armut und Hunger geführt, sowohl in den so genannten Entwicklungsländern wie in den reichen Nationen, obwohl die Kapazitäten der Industrienationen alle Menschen und die doppelte Anzahl von Menschen  ernähren, medizinisch versorgen, kleiden und mit Behausung versehen und bilden könnte.
Der Begriff Pauperismus, lateinisch pauper, arm, englisch pauperism, entstand zur Zeit der frühen Industrialisierung im 19. Jahrhundert, als sich verheerende Massenarmut ausbreitete. Lohnarbeiter und Lohnarbeiterinnen, Kinder, Handwerker konnten kaum noch für ihren Lebensunterhalt sorgen, trotz zeitaufwendigem und hartem Arbeitseinsatz.
Das 19. Jahrhundert war eine Zeit von gesellschaftlichen, ökonomischen, geistigen und kulturellen Krisen, wegen des Absinkens der alten Zeit und des Baus einer neuen Zeit, deren Architektur auch den Nationalismus verstärkte und die Weltkriege, Völkermorde und Diktaturen des 20. Jahrhunderts hervorbrachte.
So war 1848 auch das Jahr des Beginns von Auswanderungswellen in Europa in die USA. Sozial und gesellschaftlich unzufriedene, arme Bürger Deutschlands, hungernde Iren, arme Skandinavier, Russen, Italiener suchten in den USA ein besseres Leben. Für die europäische Gesellschaftsordnungen bedeutete die Abwanderung von Arbeitern, Arbeiterinnen, Hausfrauen, Hausmädchen und Handwerkern durchaus eine ökonomische und politische und auch eine kulturelle Bedrohung für Europa.
Heute wandern zunehmend Deutsche aus, und zunehmend wandern Menschen aus den ärmeren Nationen in Deutschland ein.
FOCUS Oktober 2008:
Armut und Einkommensungleichheit haben in Deutschland in den vergangenen Jahren wesentlich schneller zugenommen als in allen anderen OECD-Ländern. Von 2000 bis 2005 lebten 10,5 bis 11 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsschwelle, heißt es in einer am Dienstag in Paris vorgestellten Studie der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD). Anfang der 90er Jahre war die Armutsquote in Deutschland noch rund ein Viertel geringer als im OECD-Mittel, inzwischen ist sie über den Durchschnitt der 30 Mitgliedsstaaten gestiegen.
Die Studie „Mehr Ungleichheit trotz Wachstum?“ belegt auch, dass die Einkommensunterschiede, die lange Zeit im OECD-Vergleich eher gering waren, fast das OECD-Niveau erreicht haben. Vor allem durch einen starken Anstieg der höheren Einkommen seit der Jahrtausendwende ist die Einkommensschere auseinandergeklafft. „Dabei ist anders als vielfach behauptet die Spreizung der Einkommensschere nicht hilfreich für Wachstum. Sie macht es für talentierte und hart arbeitende Menschen schwerer, den Lohn zu erhalten, den sie verdienen“, erklärte OECD-Generalsekretär Angel Gurría. Diese mangelnde soziale Mobilität beeinträchtige die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insgesamt.
STERN Oktober 2008
Welternährungstag: Hunger in Deutschland
Mitlerweile kümmern sich in Deutschland 800 so genannte „Tafeln“ darum, Essen an bedürftige Menschen zu verteilen, mit Lebensmitteln aus Überproduktionen.

Wie alles anfing

„Es ist die uralte Frage der gerechten Verteilung zwischen Arm und Reich … wir sind auf dem Weg in eine Wolfsgesellschaft“,
Bischof Friedhelm Hengsbach, 2004

Am Anfang war Angst, Armut, Arbeit

Armut ist der Urzustand der Menschheit.
In der längsten Epoche der Menschengeschichte, der Steinzeit, von ca. 2,5 Millionen Jahre bis etwa 10.000 v. u. Z., lebten die Menschen ein Mangelleben in Armut, Hunger, Arbeit und in Ängsten, in Verhungerungsängsten, Ängsten vor Krankheiten und Tod, wovon sie nicht wussten, dass es Krankheit und Tod waren, sie kannten keinen Zusammenhang zwischen Sexualität/Fortpflanzung, Schwangerschaft und Geburt, und sie lebten in Ängsten vor den Himmelsgestirnen, den Hell- und Dunkelphasen, kannten keine Abstraktionen wie Tag und Nacht, hatte keine Begriffe davon, warum es Hell und Dunkel wurde, sie kannten nicht die Abstraktionen Schlaf und Wachzustand, sie kämpften im Wachzustand um ihr Überleben, ohne zu wissen, dass es ihr Leben war, und irgendwann schliefen sie einfach vor Erschöpfung ein, sie kannten noch keine Zeitbegriffe, hatten kein Bewusstsein von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, und noch keine für die Jahreszeiten und die unterschiedlichen Wetterverhältnisse, sie hatten keine Begriffe davon, warum es mal kalt, mal warm war, die Abstraktionen Regen und Wind waren ihnen unbekannt, wie ebenfalls der Zusammenhang von Leben, Arbeit, Denken und Phantasieproduktion dieser Menschen drehte sich um den Überlebenskampf.
Der Zusammenhalt der Gruppen war durch die Verantwortung aller gewährleistet,  teilen, gegenseitige Hilfe sicherte das Überleben der Gruppen.
Die demokratischer Gemeinschaften
Es war die Zeit demokratischer Gemeinschaften deren Regeln sich um die Frauen herum, die gute, Grosse-Mutter, Bona Dea orientierten. Mein und Dein war unbekannt. Heutige gängige Begriffe wir Privateigentum, Besitz, gar Besitz von Land, oder Begriffe wie Kapital oder Zins, Mehrwert waren undenkbar, existierten nicht im Bewusstsein der Menschen, die Bedürfnisse für diese Praktiken waren nicht vorhanden, weder als sehnsuchtsvolle Wünsche, noch als destruktive Affekte, wie Neid, Eifersucht, Gier, Geiz und Konkurrenz.
Ebenfalls existierte kein Begriff für das heutige Wort Ausbeutung, weil keine Ausbeutung praktiziert wurde, kein Bedürfnis bestand Flora und Fauna, Flüsse und Meere, Tiere und die Mitmenschen auszubeuten.
Die erste Art von Ausbeutung begann später damit, dass der Mann die Frau ausbeutete.
„Die Frau war es in den gynaikokratischen, den mutterrechtlichen Gesellschaften, die durch die Pflege der Leibesfrucht und der Kinder, früher als der Mann, ihre Sorge über die Grenzen des eigenen Ich hinweg auf andere Wesen erstreckte, und ihre Erfindungsgabe, die ihr Geist besitzt, auf die Erhaltung und Verschönerung des fremden Daseins richtete. Von Geburt über Gesittung bis zu Totenklagen reichte ihre Hingabe. So wie im väterlichen Prinzip die Beschränkung und Regulation liegt, so im mütterlich-weiblichen das der Allgemeinheit“, schreibt Erich Fromm in „Anatomie der menschlichen Destruktivität“.
Und Stanley Diamond in „Unsere Idee der primitiven  Gesellschaft“: „Der Schrei nach Erlösung vom blossen Konsumzwang und Erwerbsstreben beinhaltet eine treffende Annahme über primitive Gesellschaften, nämlich dass durch Raub erworbenes Eigentum und die Produktion zum Zwecke des Profits in diesen Gesellschaften nicht existiert … Die Suche nach dem Primitiven ist daher so alt wie die Zivilisation selbst, ist von der Vision der Zivilisation untrennbar. Kein Prophet und Philosoph von Rang hat die Imperative seiner Version einer höheren Zivilisation formuliert, ohne bestimmte Konstanten der menschlichen Natur und Elemente einer primitiven Lebensweise vorauszusetzen, ohne sich also, kurz gesagt, auf die Anthropologie einzulassen. Ein Utopia, das ohne diese zwei Säulen auskommen will – ohne das Bewusstsein der menschlichen Natur und das Bewusstsein der Vergangenheit vor der Zivilisation -, wird zum Alptraum.
Denn dabei muss dann davon ausgegangen werden, dass die Menschheit unendlich anpassungsfähig und daher nicht in der Lage ist, die Geschichte zu verstehen oder sich selbst zu verbessern …“

Die Wende

Vom Teilen zur neolithische Mein-und-Dein-Organisation
Zur Zeit der Neolithischen Revolution, zwischen 30.000 und 3.000 v. u. Z., wurden die Menschen sesshaft, neben Jagen und Sammeln wurde Ackerbau und Viehzucht entwickelt, Vorräte wurden angelegt, Häuser und Dörfer entstanden, sogar Städte, es entstanden grössere soziale Gemeinschaften. Und es war die Zeit der grossen Erfindungen: Tier- und Pflanzenzucht, Weben, Spinnen, Sticken, Töpfern, der Schirm als Schutz vor Sonne, Kochen und würzen von Speisen, Werkzeuge und Waffen, der Spiegel, das Rasiermesser, Schmuck, Öl-Pressen und Öl-Lampen, der Pflug, die Uhr, das Rad, die Schrift.
Und die Menschen begannen sich künstlerisch auszudrücken, mittels der Herstellung von Schmuckstücken, Skulpturen und Malerei an Höhlenwänden, mit Motiven ihres Überlebenskampfes gegen Hunger und der Darstellung ihrer Objekte des Begehrens. Die Psyche der Menschen entwickelte Reflexion und Sublimierung, Eindrücke wurden geistig, künstlerisch, abstrakt verarbeitet.
Und die Menschen entwickelten den Trieb zur Fortpflanzung hin zu Liebe. Der Gründer des Instituts für prähistorische Kunst in Toulouse und Entdecker der Höhle von Rouffignac in der Dordogne, Louis-René Nougier, schreibt in „Die Welt der Höhlenmenschen“: „Das schlechteste Fossil des Planeten hatte sich endlich gegen das 12. Jahrtausend zur Revolution der Gefühle hin entwickelt in dem es nicht mehr `das Tier machte´, sondern Liebe, von-Angesicht-zu-Angesicht, der Königsweg auf dem sich der Geist ebenso erfreut wie die Sinne, das Flüchtige und Überwältigende wich dem Teilen“.
Im Neolithikum entfalteten sich die Gesellschaften in einer autoritären und inhumanen Weise, wie die zivilisierten Gesellschaften bis heute geblieben sind. Lewis Mumford schreibt in „Mythos der Maschine – Kultur, Technik und Macht“: „Aus dem Komplex des frühen Neolithikums entstand eine neue Art der sozialen Organisation: sie war nicht mehr … `demokratisch´, das heißt sie gründete sich nicht mehr auf nachbarschaftliche Vertrautheit … allgemeines Einverständnis, sondern sie war autoritär, zentral gelenkt und unterstand der Kontrolle einer dominierenden Minderheit … Die neue Kultur diente nicht der Förderung des Lebens, sondern der Ausdehnung kollektiver Macht. Durch die Vervollkommnung neuer Zwangsmittel hatten die Herrscher dieser Gesellschaft um das dritte Jahrtausend v. Chr. eine industrielle und militärische Macht in einem Ausmass organisiert, das bis in unsere Tage nie mehr übertroffen werden sollte. Machtausübung in jeglicher Gestalt war das Wesen der Zivilisation …“ Und Mumford betont, dass die Methoden dieser neuen Stadtorganisationen „rigoros, wirksam, oft hart, ja sadistisch waren, und dass die ägyptischen Herrscher ebenso wie die Könige von Mesopotamien auf ihren Denkmälern und Tafeln damit prahlten, wie sie höchst eigenhändig ihre wichtigsten Gefangenen verstümmelt, gefoltert und getötet hätten“.
Vor der neolithischen Revolution war allein die Frau zuständig für Schwangerschaft, Geburt und Kindeserziehung. Mit der neolithischen Revolution haben die Himmelsmysterien das Mutterleibmonopol gestürzt, indem sie dem Männlichen als „Transzendenten“ einen wesentlichen Anteil an der menschlichen „Ursprungsfunktion“ zuerkannten.
Es gelang dann durch die Erfindungen der Werkzeuge, technischer Fertigkeiten bei der Kultivierung des Landes, der Entwässerung von Sümpfen und der Produktion von Gebrauchsgegenständen ein hohes Mass an Überschüssen und Sicherung der Existenz zu erzielen. Es bilden  sich Arbeitsteilung und Klassen von Handwerkern, Bauern, Priestern, Beamten – die Akte  Bürokratie wird angelegt, – und Könige, als Repräsentanten der männlichen Götter. Die Verstädterung des Landes begann. Nicht mehr die Fruchtbarkeit des Bodens war die Quelle des Lebens, sondern jetzt war es der funktionalistische Verstand, technische Erfindungen, abstraktes und rationalistisch-prakmatisches Denken und Handeln.
Weil die den Männern überlegene Natur der Frauen imstande ist,  Kinder auszutragen, zu, gebären und zu versorgen, Männer die Kinder nur aggressiv-lustvoll zeugen und danach oft davon laufen, waren Frauen, neben „ihrer Sorge über die Grenzen des eigenen Ich hinweg auf andere Wesen“ (Fromm), eingeschränkter. Das machten sich Männer zunutze als gesellschaftlicher `Reichtum´ entstand, Überschüsse und Freizeit, sie benutzten Frauen, liessen sie für sich arbeiten, beuteten sie aus, versklavten sie.
Und als der gesellschaftliche Reichtum wuchs, wurde Mein und Dein `positioniert´, Männer konnten Städte und Staaten gründen, Regierungen bilden, Kriege führen und Gefangene machen und sich weibliche und männliche Sklaven halten.
Und: Männer erfanden männliche Ideologien, patriarchalische Ideologien gegen Frauen, Herrenzynismen gegen Frauen und Gefangene, und gegen die `eigenen´ Leute, die Männer die nicht nach Macht, Reichtum, Egoismus, Eitelkeit und Narzismus strebten.
Und der paradoxe Gipfelpunkt: Egoismus, Eitelkeit und Narzismus wurden von Männern nun den Frauen attestiert, die Projektion von sich auf andere aus verdrängtem Gewissen, Scham und Schuldgefühle.
In der Antike wurde der Begriff Hysterie, altgriechisch „Gebärmutter“, als seelisch-geistige Wesensäusserung, als medizinische Diagnose zum Herrschaftsinstrument des Mannes über die Frau. Hippokrates verkannte und reflektierte, als männlicher Herrschaftsmediziner, „archiatros“, sich selbst nicht. So wurde Hysterie zur Frauenkrankheit.
Hippokrates vertrat das naturphilosophische Prinzip der Ausgewogenheit der Körpersäfte und die Beruhigung der Begierden. Er sah die Ursache der von ihm bereits als Krankheit verstandene und definierte Hysterie in der Gebärmutter. Wenn die Gebärmutter nicht regelmäßig mit Samen versorgt werde, dann schweift die Gebärmutter im Körper umher, beisst sich im Gehirn fest, und das führt zu hysterischem Verhalten.
Erst zweitausend Jahre später widersprach der englische Arzt Thomas Sydenham dieser Auffassung, und dreihundert Jahre später lehrten Charcot und Freud, dass Hysterie keine ausschliessliche Frauenkrankheit sei.
Und Männer attestierten Frauen Irrationalität, weil sie nicht ohne weiteres den männlichen rationalen Macht- und Reichtums-Ideologien folgten. Tatsächlich entwickelte sich die von Männern gemachte Welt zu einem irrationalen skrupellosen Dauerdesaster. Armut, Verhungerungen, Kriege, Unterdrückung, Ausbeutung sind Zustände die sich selbst richten, und deren simple Ungerechtigkeit und Menschenfeindlichkeit  jedes Kind versteht.
Mangel, Hunger und Armut wurden nun zu systemimmanenten Unterthemen der gesellschaftlichen Organisationen mit Mein und Dein, einseitigem Reichtum, vielseitiges unsicheres Auskommen und Armut, Macht und Ohnmacht.
Bereits im Jahre 1.200 v. u. Z. wütete die erste historisch bekannte Hungersnot im Volk der Hethiter. Und weiter zogen sich durch die Zeit der Antike Hungersnöte, durch das Mittelalter in allen Kulturkreisen, in der Neuzeit, bis ins 20. und 21. Jahrhundert:
– 1315–1317 Hungersnot in weiten Teilen Europas,
– 1618–1648 Hungersnöte als Folge des Dreissigjährigen Krieges,
– 1771–1772 Hungersnot in Sachsen und in der Lausitz,
– 1816–1817 Hungersnot in weiten Teilen Europas,
– 1845–1849 Hungersnot in Irland mit 1.500.000 Toten,
– mehrere Hungersnöte in China mit ca. 17.000.000 Toten,
– mehrere Hungersnöte in Indien mit über 20.000.000 Toten,
20. Jahrhundert:
– Hungersnöte in Europa nach Beginn des 1. Weltkriegs,
– Hungersnöte in Deutschland ab etwa 1915 durchgängig mehr oder weniger bis 1935, dann gemildert und dann ansteigend ab 1943 bis 1948, ab 1960 steigende Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe, dann Hartz 4,
– 1920–1921 Hungersnot in Nordchina mit 500.000 Toten,
– 1928–1929 Hungersnot in China mit 10.000.000 Toten,
– 1959–1961 Hungersnot in China mit  30–43 Mio. Toten,
– 1943–1944 Hungersnot in Bengalen, Anzahl der Toten unbekannt,
– 1916–1918 Hungersnot im türkisch-deutsch besetzten Libanon, ca. 100.000 Tote,  in dem damals von 450.000 Menschen bewohnten Gebiet,
– 1944–1945 Hungersnot in Vietnam, ca. 2.000.000 Tote,
– 1990er Jahre Hungersnot in Nordkorea,
– 1967–1970 Hungersnot in Biafra, Nigeria,
– 1968−1974 Hungersnot in der Sahelzone,
– 1973 Hungersnot in Äthiopien,
– 1984−1985 Hungersnot in Äthiopien
– erste Hälfte der 1990er Jahre Hungersnot in Somalia,
– 1990er Jahre Hungersnot im Sudan,
– 2000 Hungersnot in Simbabwe,
– 2003 Hungersnot in Darfur/Sudan,
– 2005 Hungerkrise im Niger,
– 2006 Hungerkrise in Äthiopien, Kenia, Somalia und Dschibuti,
im Jahre 2007 hatten etwa 923 Millionen Menschen keine ausreichende Ernährung, 73 Millionen mehr als noch in 2006, und an den Folgen der Unterernährung sterben täglich 13.000 Kinder, insgesamt 25.000 Menschen,
weltweit müssen rund eine Milliarde Menschen mit einem Dollar pro Tag auskommen, weitere fast zwei Milliarden Menschen haben weniger als zwei Dollar zur Verfügung, ein Drittel der Weltbevölkerung wird nicht ordentlich versorgt, eine Milliarde Menschen hungern, und etwa 100 Millionen Menschen verhungern gegenwärtig.
Die seit der Antike von Schreibern erfassten Hungersnöte repräsentieren Ordnungsentwürfe der jeweiligen Gesellschaftsformationen, in denen Katastrophen von massenhaften Verhungerungen schicksalshaft dargestellt werden wie Naturkatastrophen,  Epidemien, Götterstrafen, Kriegsfolgen verursacht durch den Feind.
Tatsächlich existierte grundsätzlich in allen zivilisierten Gesellschaften permanente Armut und alltäglicher Hunger, wie auch unsicheres Auskommen und Reichtum herrschte. Armut und Hunger wurde in den zivilisierten Gesellschaften nie abgeschafft, ebenso wenig wie die Folter, oder wie die Domestizierung von Kindern als `Menschen zweiter Klasse´, oder wie Unterdrückung der Frauen. Nur in den vorzivilisierten Gesellschaften herrschte Mangel aufgrund von Ermangelung von Überschüssen und Reichtum, da die Menschen noch mit dem Kampf ums Überleben beschäftigt waren. Es war natürliche Armut die durch Nahrungsarbeit überwunden wurde. Und in sesshaften Gesellschaften erlangten die Menschen Auskommen und kleine Vorratshaltung. Es gab keinen Profit, kein Kapital, keinen Privatbesitz, gar Besitz von Land war undenkbar (bis heute bei manchen `Naturvölkern´). Es wurde getauscht, und wer zu wenig zum tauschen hatte, dem wurde gegeben („Die Gabe“, Marcel Mauss). Nur in zivilisierten Gesellschaften herrschte keine natürliche Armut mehr, sondern organisierte Armut, obwohl ausreichender Reichtum vorhanden war (von kurzzeitigen Ausnahmephasen durch Naturkatastrophen abgesehen).

Armut ist eine Untugend

Die französischen Kulturhistoriker Philippe Ariés und Georges Duby  führen in der  „Geschichte des privaten Lebens“ aus, dass Reichtum und Müssiggang in den antiken Sklavenhalter-Gesellschaften als Tugenden galten; wie auch als Tugend galt, dass der Mann nach römischem Recht der Besitzer seiner Frau und seiner Kinder war.
Anders als im Mittelalter, wo der Adel verstreut übers Land in befestigten Schlössern und Burgen lebte, residierten die Reichen in den Städten, Athen, Rom, wie später der `Stadtadel´ in der italienischen Renaissance. In Platons idealer Stadt führt der Bürger von Rang ein Leben im Müssiggang und lebt von den Arbeiten der Sklaven, Bauern und Handwerker. Die Besitzenden arbeiten nicht, sondern pflegen die Tugend der Verwaltung ihres Besitzes und tätigen Grosshandelsgeschäfte. Der Zwischenhandel wiederum wurde verächtlich als Arbeit betrachtet. Cicero schrieb: „Jede Lohnarbeit ist schmutzig und eines freien Mannes unwürdig … jedes Handwerk ist schmutzig, ebenso der Zwischenhandel“. Noch bis zur Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert wurde der Handel gemeinhin beargwöhnt, weil der Kaufmann durch Handel ein Neureicher war, hingegen der alte Reichtum aus Grund und Boden stammte. Im antiken Rom konnte ein reicher Kaufmann nur dann innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft aufsteigen, wenn er zusätzlich Grund und Boden erwarb. Nach Cicero war ein Kaufmann nun nicht mehr verächtlich zu sehen, sondern zu loben. Der Boden galt als universelle Investition des Reichen und seine Verwaltung als Tugend, der Handel hingegen nur als Mittel zum Zweck, um reich zu werden und daher als Arbeit. Der Erbe war dem Neureichen überlegen. Und wenn der Bodenbesitzer zusätzlich Geschäfte als Händler tätigte, galt er nicht als untugendhafter Händler. Am Anfang stand der Besitz und dann erst kam der Handel.
Und nach Aristoteles führen Sklaven, Bauern und Krämer kein „glückliches“ Leben in Tugend, weil sie nicht „unbelastet von notwendigen Aufgaben sind … da man die Tugend nicht üben kann, wenn man das Leben eines Arbeiters führt“. Armut ist an sich ein Defekt und eine Untugend (die Frau betrachtete Aristoteles als „unvollständigen Mann“, diese Ansicht hielt sich bis ins Mittelalter; oder länger?).
Für Fürst von Metternich begann der Mensch beim Freiherrn, und bei Griechen und Römern beim reichen Besitzenden. Der Redner und Staatsmann Demosthenes wurde als Angeklagter vor dem Gericht des athenischen Volkes freigesprochen, weil er nachweisen konnte, dass sein Kontrahent als Kind in ärmlichen Verhältnissen, sein Vater war Lehrer, aufgewachsen war, und er selber in reichen Grundbesitzer-Verhältnissen.
Gegen dieses Wertungssystem von Kapital, Arbeit und Moral bildeten sich zwei Verweigerungs-Bewegungen: die kynische (grch.. „Hund“) als Bedürfnislosigkeit und Freiheit eines Hundelebens, und die hedonische (grch. „Freude, Lust“) als Bedürfnislosigkeit im Streben nach Lust.
Das von Sokrates übernommene Ideal der Autarkie der Bedürfnislosigkeit wurde von Antisthenes und Diogenes von Sinope gegen herrschende Moral, religiöse und staatliche Gesetze gelebt. Das Erste was den bürgerlichen Athenern an Diogenes schockierte, war seine Kleidung und sein Bart. Und das zweite Schockierende war, dass Diogenes ohne Begleitsklaven umherging, was den Athenern als Schande galt. Diogenes drehte den Spiess der bürgerlichen Doppelmoral um, lief am hellichten Tag mit einer Laterne durch Athen und antwortete auf die Frage der Bürger, nach dem Sinn seines Tuns, „ich suche Menschen, nicht Unflat“. Die soziale und moralische Ungerechtigkeit und der Egoismus der Athener Sklavenhalter-Demokratie war für Diogenes der Müll, nicht die Armen. Alexander der Grosse wollte gar Diogenes sein, wenn er nicht Alexander wäre.
Die Verweigerungsbewegung des Hedonismus wurde von Aristippos begründet, dem Epikur nahe stand. Beide Bewegungen verweigerten bürgerliche Arbeit, wie  auch Jesus von Nazareth, die über das notwendige Mass hinausging und blosser Anhäufung von Besitz und Macht diente.
Für Gleichheit trat das vorchristliche abendländische Denken schon um 600 v. Chr. ein, in Person des athenischen Gesetzgebers und einem der Sieben Weisen, Solon, der Gründer der athenischen Demokratie. Mit Wenigem glücklich sein, Neid, Geiz, Habgier, Übervorteilung verhindern, Tugend statt  Überfluss leben, lehrte er.  Er tilgte die allgemeinen Schulden und verkündete, zu großer Besitz soll geteilt werden.

Mittelalter und Neuzeit

Die seit der Antike von Schreibern erfassten Hungersnöte repräsentieren also Ordnungsentwürfe der jeweiligen Gesellschaftsformationen, in denen Katastrophen von massenhaften Verhungerungen kommuniziert werden wie Naturkatastrophen,  Epidemien, Götterstrafen, Kriegsfolgen durch den Feind verursacht.
In allen Gesellschaften der Geschichte existierte und existiert Armut und alltäglicher Hunger, wie unsicheres Auskommen und Reichtum. Und in allen zivilisierten Gesellschaften wurde Armut von der gesellschaftlichen Kommunikation, Bildung, `Gerechtigkeit´, Menschenwürde ausgegrenzt.
Bildende Künstler stellten in allen Gesellschaften Armut in ihren Kunstwerken dar. Die bekannte älteste direkte Darstellung des Begehrens nach Nahrung ist die 12.000 Jahre alte Felsenmalerei aus einer Höhle bei Cueva de Arania bei Valencia. Ansonsten dreht sich ein Grossteil der Höhlenmalerei um Nahrung und deren mystisch-religiöse Verherrlichung, als ein emotionales Verständnis von Verwandschaft mit der Natur, den Tieren. Bis heute werden der Festtagsbraten, das Osterlamm, die Weihnachtsgans, der Silvester-Karpfen, der Thanks-giving-Truthahn, die Geburttagstorte (das Ei) und der Leichenschmaus, als direkte Sakralisierung der Nahrung, geheiligt. Und in jüngster Zeit zelebrieren Fern-seh-Medien Koch-sendungen auf allen Kanälen, angesichts der so genannten Neuen Armut, um die Objekte des Begehrens gegen den Mangel zu beschwören, prinzipiell nicht anders, als ein archaischer Zauberer, Schamane, welcher in der ökonomischen Magie natürliche Werte und Wertsachen zelebriert, das Wachsen von Pflanzen, der Reichtum von Landtieren und Fischschwärmen geschildert, und die Wörter werden vom Magier immer in der dem Thema und Ziel entsprechenden Leidenschaft agiert (Fernsehköche).
„Der Ritus imitiert sein Ziel“, sagt der Ethnologe Sir James Frazer. Ob ein Ritus der Nachahmung, der Vorausschau oder einfach der Verzauberung dient, ein Merkmal ist ihnen immer gemeinsam: die Kraft, die Wirksamkeit der Magie muss immer auf das Objekt übertragen werden (heute die Fernsehzuschauer). Und diese Kraft ist die Beschwörung, das wichtigste Element in der Magie. Die Zauberformel ist immer Kern der magischen Handlung.
Die Tradition spielt in primitiven Zivilisationen eine ausserordentliche Rolle und konzentriert sich auf das magische Ritual und den Kult. Daran hat sich bis heute nichts grundlegend geändert. Jede Magie hat eine Geschichte. Darin wird berichtet, wann und wo die Magie in den Besitz des Menschen kam, eines Stammes, eines Clans, einer Familie. Jedoch nicht als Entstehungs-Geschichte, sondern als Geschichte ihres Immer-schon-dage-wesenen-Seins. Magie war immer schon da, sie ist so alt wie die Natur/Menschen und Dinge die von ihr beherrscht werden.
Magie ist nicht nur in ihrer Verkörperung, sondern auch in ihrem Inhalt menschlich: Sie bezieht sich hauptsächlich auf menschliche Tätigkeiten und Zustände, Jagd, Bodenbestellung, Fischfang, Handel, Liebesspiel, Lebensangelegenheiten, Krankheit und Tod. Die Lebensangelegenheiten werden als das direkte Ergebnis von Beschwörung und Ritus verstanden. Sie ist ein Urbesitz des Menschen, der nur durch Überlieferung vermittelt werden kann und durch den sich die autonome schöpferische Kraft des Menschen bestätigt – in der gesamten atmosphärischen Spanne von Jubel-, Erfolgs-, Sieger- und Verlierer-Geschichten über Mitleids- und Angst-Geschichten, Spass- und Erbauungs-Geschichten bis hin zu Horror- und Gewalt-Geschichten (Medien heute).
Magie agiert auf einer vorkausalen Gefühlsdenkebene der Analogie, ein Glaube,  „dass das Abbild mit dem Urbild durch geheimnisvolle Kräfte verbunden sei und Gleiches auch Gleiches bewirken oder hervorbringen könnte“.
Nachahmende Magie beabsichtigt durch das gemahlte Bild in der Höhle das begehrte zu jagende, gefürchtete, verehrte Tier zu bannen, oder anders durch Imitationen und Zeichen das Wetter zu beeinflussen (TV-Wetterberichte), im Kriegstanz den Sieg über den Feind zu beschwören (Medienhetze).
„Der Ritus imitiert sein Ziel“, heute opfert er tatsächlich und direkt.
Bildende Künstler stellten also in allen Gesellschaften Armut in ihren Kunstwerken dar, nach der Vorzeit so auch im Altertum, der Antike und besonders im Mittelalter wurden Hunger, Armut, Not, Schrecken, Tod, Verzweiflung künstlerisch bezeugt.
Mit dem Niedergang der mittelalterlichen Wirtschaft wachsen Verzweiflung und Zweifel bei den Bauern, auch bei Kleinbürgern, Handwerkern, Proletariern. Die Empörung richtet sich gegen Kaiser, Könige, Fürsten und gegen den Klerus, denen gerade das Schicksal hart arbeitenden Menschen und der Armen einerlei ist. Christus selbst hingegen hatte mit den Mühseligen und Beladenen gelebt.
Nachdem Armut zur bisherigen Menschheitsgeschichte als eine Art naturgegebener Zustand ignorant gesehen wurde, wird im Übergang vom Spätmittelalter zum Industriezeitalter Armut als strukturelle Massendisposition im gesellschaftlichen Gefüge organisiert. Breite Bevölkerungsschichten wurden vom gesellschaftlichen Zuwachs von Finanzkapital und Produktionsreichtum abgekoppelt.
Die Träger der sich bildenden „Laienbewegung“ sind gerade nicht Kirchenfürsten und Ideologen sondern das Volk. Das Christentum war bekanntlich von Christus selbst her eine Laienbewegung, die sich u. a. gegen die Priesterschaft wendete.
Bereits der Kirchenvater Origenes war ein Ketzer, dann Joachim di Fiore, und bereits Tertullian hatte gelehrt, dass Christus ein drittes Testament bringen werde, nämlich die Kirche wird vergehen nach dem Zeitalter der Furcht, das Alte Testament, und nach dem Zeitalter der Liebe, das Neue Testament, kommt das Zeitalter der Erleuchtung.
Am Ende des mittelalterlichen Denkens steht Nikolaus von Cusa. Die Zeit wird zwielichtiger, eine neue Zeit zieht auf. Mit seiner Idee des „Zusammenfalls der Gegensätze“ in der Vernunft als die Verbindung von Metaphysik und theologischer Spekulation, rückt er das Subjektive in den Mittelpunkt, und wirkt damit bis ins 19. Jahrhundert.
Theologie und Anthropologie bedingen sich. Gott ist als geistiger Selbstvollzug/Geist eine zu sich selbst verhaltende Lebendigkeit, nicht bloss eine dinghafte Substanz. Die Dreieinigkeit Gottes ist geistig-ichhaft. Alle empirisch nicht aufhebbaren Gegensätze sind in Gott eines: er ist das Grösste und das Kleinste, das Sein und das Nichts. Der Mensch ist ein „menschlicher Gott“ und vermag deswegen autonom in der Welt zu handeln.
Und Erasmus von Rotterdam galt in seiner Zeit als „König der Humanisten“. Er verband Geist und Ethos der klassischen Antike mit der Morallehre Jesus Christus zu einer „Philosophia Christi“, mit der er kritisch die Überheblichkeiten der Hirarchen und der Gewohnheitschristen angriff, um die Kirche von innen her zu erziehen und zu reformieren. Sein Ruf nach Bildung, Moral und Vernunft eröffnete später das Zeitalter der Aufklärung.
Die neue Zeit der Renaissance dann war nicht einfach eine Widergeburt alter Zeiten, der Antike, keine Wiederholung, vielmehr war es eine Neugeburt von Gedanken, die den Menschen noch nie in den Sinn gekommen waren und ein Durchbruch wissenschaftlicher und künstlerischer Gestalten, wie sie bisher nicht auf der Erde zu sehen waren.
Der Mensch wird nun als arbeitender Mensch geachtet – nicht mehr, wie es in der Antike der Fall war, geächtet -, der homo faber entsteht, der in die Welt erzeugend-eingreifende Mensch.
Eine frühkapitalistische Wirtschaftsweise bricht durch, eine ökonomische Epoche, worin das Bürgertum der Städte im Bund mit dem absolut herrschenden König versucht den ritterlichen Feudalismus zu zerstören, wie seit dem 13. und 14. Jahrhundert bereits angebahnt in Handwerkeraufständen in Italien.
Insbesondere das Handelskapital verstärkte seine unternehmerischen Anstreng-ungen, die erste Bank wurde von den Medici in Florenz gegründet, Manufakturen/gewerbliche (Gross-) Betriebe setzten sich neben den Handwerks-Kleinbetrieben durch, – ein offener Weltmarkt bagann als frühkapitalistische Warenwirtschaft. Da Italien der Ort war, wo die wirtschaftlichen Fesseln der Feudalzeit zuerst gesprengt wurden, ist Italien der Geburtsort der Renaissance.
Zweierlei Neues entsteht so: Das Bewusstsein auf Basis der individuellen kapitalistischen Wirtschaftsweise, als Überwindung der ständischen Wirtschaftsweise mit geschlossenem Markt. Und das Bewusstsein offener Weite gegenüber dem geschlossenen Weltbild der feudal-theologischen Gesellschaft.
Die Renaissance ist das Zeitalter der Erfindungen neuer Produktionsmittel und damit der Erfindung seiner selbst, des individuellen Bewusstseins, von individuellen Kräften, die bisher nicht entfaltet waren.
So spiegelt sich das Individuum im gesellschaftlichen Überbau:
Im Theater siegt das Charakterdrama über die höfischen Rollentypen. Insbesond-ere bei Shakespeare erscheint die unverwechselbare Person, statt der gleich-mässigen höfischen, bürgerlichen und bäuerlichen Menschen. Der einzelne Mensch bekommt individuelles Gesicht und Profil.
Geographisch ist es das Zeitalter der Entdeckungen der Ferne, u. a. Kolumbus und Magellans Erdumseglung.
Kosmologisch entdeckte Kopernikus das heliozentrische Weltbild gegen das geozentrische. Dass die Erde sich um die Sonne dreht hatte bereits um 400 v. Chr. der antike Philosoph Archytas von Tarent formuliert. Und der französische Mathematiker Nikolaus von Oresme hatte ebenfalls diese Entdeckung gemacht und sie besser durchgerechnet als Kopernikus.
Dementsprechend entdeckt die Malerei ebenfalls die Weite und die Tiefen-dimension. Nach dem Mittelalter wandte sich der Blick endlich ab vom  Jenseits der Hölle und des Paradieses hin ins Diesseits, um das Unendliche als offene Ferne zu suchen. Es entstand die Tiefe der dritten Dimension als Bildraum und Durchdringung der Natur. Der Beschauer blickt in die Tiefe des Raums durch ein offenes Fenster, ist selber in der offenen Szene. Solche stillen Bilder entstanden sowohl als Landschaften wie als Portraits – so bei da Vinci, Piero della Francesca, Jan van Eyck.
Martin Heidegger schreibt in „Die Zeit des Weltbildes“: „Der Grundvorgang der Neuzeit ist die Eroberung der Welt als Bild. Das Wort Bild bedeutet jetzt: das Gebild des vorstellenden Herstellens“.
In der griechischen Antike verstanden die Menschen die Welt um sie herum als ein allgegenwärtiges Vorhandenes Ansich. Das Sein war die Welt des Mittelmeer-raums, mit dem Boden auf dem sie standen, der Natur um sie herum und dem Universum über ihren Köpfen.
Um es für sie erfassbar zu machen, abstrahierten sie das allgegenwärtig An-sich-Vorhandene als oberstes Sein im olympischen Götterhimmel, und konkretisierten es als Statuen, Fresken, Bilder. Und in ihrer Vorstellung beschauten sie das grosse Ansich des Überirdischen, und sie nahmen ihr Leben als ihnen vermeintlich zugewiesenes an mit ihren Konflikten und Schicksalen, umgetrieben, gezeichnet und ausgeliefert.
Die Welt der Griechen konnte nicht zum Welt-Bild werden, weil den Griechen noch das Selbst-Bewusstsein ihrer selbst und der Welt fehlte, wiewohl der Philosoph Thales von Milet fragen konnte: „Was ist der Mensch?“, Sokrates fragen konnte: „Wer bin ich?“, und das Orakel von Delphi mahnen konnte: „Erkenne dich selbst“.
Und ebenso wenig konnte die Welt des Mittelalters, in der das Sein von einem einzigen Gott als oberste Ursache geschaffen war, zum Welt-Bild werden. Hier wie dort hat der Mensch keine Verfügungsmöglichkeiten über sein Eigen-Sein und das Welt-Sein, er hat kein eigenes Weltbild von sich und der Welt.
Erst die Neuzeit kann sich ein Bild von der Welt machen, die Welt selbst als Weltbild verstehen, in ihrer Natur, dem Kosmos, der Geschichte, – dem Wesen des Sein. Die Erde ist keine Scheibe mehr, sondern eine Kugel. Die Sonne dreht sich nicht mehr um die Erde, sondern die Erde ist Trabant der Sonne, in einer Galaxie, die nur eine von unzähligen Galaxien ist. Die Menschheit ist kein göttlich ausgewähltes Volk auf dem einzigen göttlichen Planeten, der einzig im Weltall, dem „Sensorium Gottes“, wie Isaak Newton es nannte, schwebt, sondern die Erde ist ein Stern unter ungefähr so vielen anderen Sternen, wie Sandkörner in den irdischen Wüsten existieren. Der Mensch ist nicht von einem einzigen Gott als der obersten Ursache, Sein des Seienden, geschaffen.
Er, der Mensch, macht sich nun willentlich und bewusst zum freien Subjekt, unabhängig von vermeintlich höherem Vorhandenen stellt er sich auf sich selbst. Wahrheit wird nicht mehr in Projektion in die Höhe gesucht, sondern mitten in der Tiefe des realen Lebens.
Hatten die antiken Völker die Welt noch gedanklich sphärisch umrundet und transzendiert, umrundeten im Mittelalter die Entdecker mittels Weltumseglungen mit Schiffen in persona den Globus und machten sich die Erde untertan. Schliesslich wird der Globus in der Moderne durch Flugzeuge und Schiffe, Kapitalströme und Signale, Informationen, elektronische Kommunikation, dem Internet, Bilder in einer Weise umrundet, das diese gleichsam eine zweite Erdatmosphäre bildet.
Es findet also eine Umkehrung der Werte statt: das Jenseits wird zunehmend langweilig, statt dessen wird nun das Diesseits interessant und insbesondere der Trieb für eine bessere Welt. Eine bürgerlich-revolutionäre Gesinnung strebt nach einer menschlichen Freiheit, die auf der Suche nach wahrer Freiheit ist.
Und: Was und wie sei diese wahre Freiheit? Der Staatskanzler Heinrich des VIII. von England, Thomas Morus, schrieb den Staatsroman „Utopia“, mit einer Verfassung des Gemeinwesens ohne Privateigentum, mit Bildung für alle und Religionsfreiheit.
Weitere Staatsromane des Humanismus, die sich an die antike Philosophie anlehnten, schrieben Tommaso Campanella, 1568 bis 1639, „Der Sonnenstaat“, und Francis Bacon, 1561 bis 1626, „Neu Atlantis“, auch Lord-Kanzler, er forderte naturwissenschaftliche Forschung, damit Menschen in glücklicher Gemeinschaft leben können, und er prägte den Begriff „Wissen ist Macht“, Bildung gegen Ohnmacht und Armut. Das Denken bewegt sich heraus aus der Macht eines Gottes und seiner Kirche hin zur Macht des freien Denkens.
Die Grundabsicht seiner Lehre ist neu: Es gibt keine Wahrheit um ihrer selbst willen, keine Erkenntnis an sich (wie bei den Griechen und bei den Christen Gott), sondern alles Erkennen soll den Menschen nützlich sein, in dem Sinne, dass für alle Menschen das Glück auf Erden gegründet werde, also: die Nützlichkeit ist die Grundlage für sittliches Verhalten und ideale Werte sind nur dann solche, wenn sie dem einzelnen Menschen und der Gemeinschaft nützen. Gemeint ist damit die Vorstellung, dass die aufstrebende Wirtschaftsweise des beginnenden industriellen Kapitalismus, in Ablösung des Handelkapitals, allen Menschen Erlösung von Mühsal, Armut, Krankheit und grösstmögliches Glück beschert. Eine Vorstellung die später Motiv in relevanten Philosophien, Wissenschaften, Künsten wird.
Und: im 17. Jahrhundert entsteht der Begriff „Erfolg“, den es bis zum Ende des Mittelalters nicht gab. Mit dem aufsteigenden Bürgertum beginnt Konkurrenz, Männer sind nun erfolgreich, oder nicht. Die Anfänge der Winner-Loser-Kultur.
Der Begriff „Profit“ wird allgemein und von Baruch de Spinoza bis dahin gebraucht als „es nützt der Seele … es nützt der Entwicklung des Menschen“. Erst hundert Jahre später wird der Begriff gepriesen, um einseitigen ökonomischen Vorteil zu bezeichnen.
Mit der massenhaften Enteignung der Landbevölkerung, der Aufwertung des Geldes im Verhältnis zu gegenständlichem Besitz und der Konzentration von Kapital als Privatbesitz bei Wenigen, verbreitete sich im 18. und 19. Jahrhundert massenhafte Verelendung bei der durch die Umwälzung entstandene Klasse des Proletariats, und offenbarte endgültig die Mangelhaftigkeit der wirtschaftsgesellschaftlichen Struktur sowie das Unrecht des zivilisierten Systems.
Der Begriff Pauperismus entstand nun, als sich verheerende Massenarmut ausbreitete. Lohnarbeiter und Lohnarbeiterinnen, Kinder, Handwerker konnten kaum noch für ihren Lebensunterhalt sorgen, trotz zeitaufwendigem und hartem Arbeitseinsatz, und diejenigen, die durch die vorangegangenen Enteignungen ohne Arbeit waren, verarmten vollends.
Dieses 19. Jahrhundert war nicht nur eine Zeit von gesellschaftlichen, ökonomischen, geistigen und kulturellen Krisen, sondern es steigerte Nationalismus und brachte auch die Weltkriege, Völkermorde und Diktaturen des 20. Jahrhunderts hervor.
Mit der Armengesetzgebung im 19. Jahrhundert wurde eine Spaltung zwischen Bürgertum, Arbeiterschaft und Armen festgeschrieben. Die sozialstaatlichen Massnahmen, bedrängt durch politischen Einflüsse der sozialen Bewegungen und der Gewerkschaften, gaben der Armut mildernde Umstände und implantierten diese als `Normalität´, ähnlich wie Folter, Todesstrafe, Strafe-muss-sein in der Erziehung, die Frau als Mensch zweiter Klasse. Michel Foucault führt aus, dass im 19. Jahrhundert die vier grossen Strategien der Macht manifestiert wurden: Sexualisierung des Kindes durch die Pädagogik, Regulierung des Bevölkerungs-wachstums in den Familien durch die Sozialwissenschaften, Hysterisierung der Frau durch die Medizin und Spezifizierung der „Abweichler“, Perversen durch die Psychiatrie.
Die älteste Strategie der Macht ist die Ausbeutung der Frau, neben derjenigen der Kinder, mit der Folge der allgemeinen Ausbeutung und gesellschaftlich, staatlich organisierter Armut.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff „Klasse“ für Arbeiter und Armut verbannt und von Neuer Armut gesprochen (beides änderte nichts).

Der „Ernstfall“ Globalismus
oder: `Das Dicke Ende´?

(in cauda venenum / im Schwanz ist das Gift = Das Dicke Ende kommt)
„Wir leben in einer absolut mörderischen Weltordnung … und gegen die muss man andenken, anreden, an-analysieren. Das Denken befreit die Freiheit im Menschen. Was der dann mit seiner Freiheit tut, das ist das Mysterium der Geschichte“,
Jean Ziegler

„Denkweise von Renaissance-Höfen“

Franz Böhm schreibt 1954 in seinem Geleitwort zur Studie des Frankfurter Instituts für Sozialforschung über die öffentlichen und nichtöffentlichen Meinungen im Nachkriegsdeutschland: „Die Bekenner nicht-öffentlicher Meinungen sind alles andere als schüchtern und verschwiegen. Sie sind durchaus geneigt, einem diese Meinungen sogar höchst herausfordernd oder aber mit sanft bohrender Eindringlichkeit ins Gesicht zu sagen … Ein sehr grosser Teil von ihnen hat … eine Denkweise, die ursprünglich keineswegs volkstümliche Lehren und Denkweisen waren, sondern die Denkweise von Renaissance-Höfen, Herren und Überlagerern, die sich den Teufel um individuelles Leid und um das Schicksal von Menschen kümmerten, die sich in den sozialen Sphären unterhalb der Regentenschicht herumtrieben. Hier ist in ganz grossem Umfang Herrendenken, und zwar schikanösestes und herzlosestes Herrendenken im Zuge der Jahrhunderte bei Müller und Schulze angelangt … Kanäle geben, auf denen die Meinungen der nicht-öffentlichen Meinung kursieren. Wahrscheinlich bestehen diese Kanäle in Familien-, Bahn- und Kollegengesprächen … Denn das Denken der Eltern prägt sich den Kindern unauslöschlich ein, und die am Tisch mit Nachdruck geäusserten Vorurteile der Väter haben im Ohr der Kinder den Klang ehrwürdiger Weisheiten …“
„… bei Müller und Schulze angelang“ von Oben nach Unten. Gerade im  autoritären Nachkriegsdeutschland trat das Denken ein Erbe an, welches schikanöser und herzloser hätte nicht kaum sein können. Erst fünfundzwanzig Jahre später wurde mehr Demokratie gewagt und von Willy Brandt verkündet, dass der Zynismus der Satten überwunden werden müsse.
Hunger und Armut ist der Urzustand der Menschheit. Hunger und Armut haben die  Menschheitsgeschichte durchlaufen und nie aufgehört, wie die Folter, wie die  Unterdrückung und die Rache an Kindern, die Ärmsten der Armen. Hunger und Armut sind zum gesellschaftlich systematisierten Verwaltungsakt organisiert worden, wie daneben unsichere Einkommen. Die Armen leben zusätzlich, neben ihrer Armut, ihrer Isolation, zu Unpersonen gemacht, in dem ständigen Nichtwissen darüber, ob dieser Zustand je aufhören wird. Und die Menschen mit unsicheren Einkommen leben in der Angst der Armut anheim fallen zu können. Selbst Menschen mit gewissem Reichtum leben mehr oder weniger in der Angst verarmen zu können. Und dieser Zustand wird aufrecht erhalten, obwohl die Kapazität des Reichtums der Welt die gesamte Menschheit problemlos und sogar die doppelte Anzahl von Menschen ernähren könnte. Die Besitzer und Verfügungsgewaltige über Reichtümer müssen deswegen nicht ärmer werden, oder nicht nennenswert. Wer meint, er müsse über mehr Geld und sonstigen Besitz verfügen, als ein Mensch im Leben, oder in mehreren Leben braucht, mag glücklich damit werden.
Baronin von Brandstetter sagte in einem TV-Interview, dass sie sich mit ihrem Vermögen von vierzig Millionen Euro „wie eine Sozialhilfeempfängerin“ fühle, angesichts der Preise der Yachten von um die einhundert Millionen Dollar bei einer Yachtausstellung in Monte Carlo. Ihre Sicht ist nachvollziehbar mit Blick auf Vermögen von hunderte Millionen und von Milliarden Dollar. Nur hilft das den tatsächlichen Sozialhilfeempfängern nicht. Für diese genügt ein Einkommen auf Niveau des bürgerlich-gesellschaftlichen Reichtums. Wer dann mehr daraus machen will, hat eine Chance, – wenn schon gleiche Bildung für alle fehlt.
In der modernen Konsumismus-Gesellschaft bringt nur der den Verwaltern von Besitz und Kapital Gewinn, der Arbeit hat. Er produziert Mehrwert und konsumiert Waren. Tugendhaft ist nicht mehr nur der Besitzende, sondern nun auch der Arbeitende und Konsumierende, der Homo Konsumismus. Untugendhaft ist jetzt nicht mehr der arbeitende Mensch, sondern der Arbeitslose und Nichtkonsumierende.
Nicht nur Adam Smith, G. W. F. Hegel und Karl Marx haben vor rund 200 Jahren erkannt, dass der Kapitalismus nicht existieren kann, ohne Elend zu produzieren,  dass einseitiger Reichtum vielseitigen Mangel schafft, sondern u. a. auch der englische Mathematiker und Ökonom John Maynard Keynes – der berühmte „Keynesianismus“, das System der Demokratie -, welcher prophezeite, dass das System der Marktwirtschaft grundsätzlich keine stabile Entwicklung garantiere. Und: „Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden“.
Der preussische Staatsphilosoph Hegel schrieb über Armut, u. a. in den „Vorlesungen über die Philosophie der Religion“: „Die Entstehung der Armut ist überhaupt eine Folge der bürgerlichen Gesellschaft, und sie ergibt sicht im ganzen notwendig aus derselben … Es häuft sich so Reichtum ohne Mass und Grenze an der einen und Not und Elend an der anderen Seite … Die Vermehrung des Reichtums und der Armut hält gleichen Schritt … Mit der Anhäufung der Reichtümer entsteht das andere Extrem, Armut, Not und Elend … Nicht nur die äussere Not ist es, die auf dem Armen lastet, sondern es gesellt sich dazu auch moralische Degradation … Diese beiden Seiten, Armut und Reichtum, machen so das Verderben der bürgerlichen Geselschaft aus“.
Für Hegel ist das Leben Jesu exemplarisch für ein ethisch reines Leben im allgemeinen Leben. Die „schöne Religion“ ist Teil seiner zu sich selbst kommenden Geschichte der Philosophie, die Gedanken der Vergangenheit seit den Griechen über sich selbst zu reflektieren, als ein System der spekulativen „Metaphysik des Absoluten“. In der „Phänomenologie des Geistes“ wird die Bildung des menschlichen Wissens methodisch als Stufengang rekonstruiert: das individuelleBewusstsein, die individuelle Selbsterfahrung als Selbstbewusstsein an anderem Selbstbewusstsein, Vernunft, Geist, Religion als das Wesen und das Absolute Wissen als der Begriff, als die „begriffene Geschichte“.
Hatte Hegel die Begrifflichkeit als Entwicklung des philosophischen Denkens, also die Entwicklung des Bewusstseins, des Selbstbewusstseins und des Geistes und des Lebens überhaupt bis an die Grenze verdichtet, und über die  Verhältnisse des allgemeinen Denkens und den gesunden Menschenverstandes gewarnt, so wendete Marx die idealistische Ausgangslage auf dem Boden der Tatsachen des Seins aus, welches das Bewusstsein bestimmt: „Wenn die Verhältnisse den Menschen bilden, dann müssen die Verhältnisse selbst erst menschlich gebildet werden“. Und hinsichtlich seiner Vordenker, die die Entwicklung des Denkens ausführten: „Die Philosophen haben die Welt verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern“.
Als Marx bei seiner Analyse des Kapitals auf das Problem des Arbeiterelends stiess, hat er die übliche Erklärung verworfen, die aus diesem Elend die Wirkung einer natürlichen Knappheit oder eines Diebstahls machte. Stattdessen hat er analysiert, dass die grundlegenden Gesetze der kapitalistischen Produktion unweigerlich Elend produzieren. Es ist nicht der Zweck des Kapitalismus, die Arbeiter auszuhungern, aber der Kapitalismus kann nicht funktionieren ohne sie auszuhungern. Marx hat die Anklage des Diebstahls durch die Analyse der Produktion ersetzt.
Und Marx erkannte den mystisch-rituellen und meta-religiösenFetischcharakter der Ware und sein Geheimnis“, und dass die Waren und deren Preise die Kriegswaffen ersetzen, und den Hass gegen andere Nationen und Völker in Handel und Geschäftemachen verwandeln, wie es Norbert Bolz in „Das konsumistische Manifest“ betont.
Peter Sloterdijk bemerkt dazu in  „Spähren III, Schäume“, dass die Kaufkraftbesitzer die „explizit gemachte menschliche Natur durch den Verzehr von Gegenständen, Zeichen und Lebenszeiten“ verwirklichen. „Der konsumistische way of life besitzt freilich den Nachteil, dass der Marktfrieden die Menschen nervlich unterfordert – ihnen fehlt das Ernstfallgefühl, dass die Befreiung von der Langeweile verspricht.“

„Die Menschen draussen“

„Sei misstrauisch gegen den, der behauptet, dass man entweder nur dem großen Ganzen oder überhaupt nicht helfen könne. Es ist die Lebenslüge derer, die in der Wirklichkeit nicht helfen wollen und die sich vor der Verpflichtung im einzelnen bestimmten Fall auf die grosse Theorie hinausreden. Sie rationalisieren ihre Unmenschlichkeit. Zwischen ihnen und den Frommen besteht die Ähnlichkeit, dass beide durch ‘höhere‘ Erwägungen ein gutes Gewissen haben, wenn sie dich hilflos stehen lassen“,
Max Horkheimer, „Dämmerung, Notizen in Deutschland“, 1934
1998, Christian Pfeiffer, damals Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, befragt zu den Ausschreitungen von Rechtsradikalen: „Wir haben zunehmend eine Winner-Loser-Kultur … steigende Gewalt … weil nicht mehr jeder seines Glückes Schmied ist …“
Die Herkunft dieses geflügelten Wortes geht auf Schriften des Römers Sallust zurück, wo es heisst: „Jeder ist seines Glückes Schmied“, nach Appius Claudius, Römischer Konsul.
Bei Plautus heisst es: „Der Weise schafft sich sein Glück selbst“, während ein Vers von Cornelius Nepos sagt: „Der Charakter schmiedet jedes Menschen Glück“.
Das berichtigte das abhängige Volk – im Unterschied zu der aristokratischen römischen Oberschicht -, zu der „Volksweisheit“: „Jedermann ist seines Glückes Schmied, vorausgesetzt, dass ihm das Schicksal nicht Hammer und Amboss versagt hat“.
„Paul: Was haben Sie bisher gemacht?
Dunant: Ich habe meine Zeit bisher vorwiegend dem Schicksal meiner Mitmenschen gewidmet, den Schwachen und Bedürftigen –
Paul: Sozialist?
Dunant: Genfer Bürger. Ich bin Mitglied einer Almosengesellschaft.
Paul: Aktiengesellschaft wär mir lieber.
Paul: …intelligent?
Dunant: Ich denke.
Paul: Aus bürgerlichem Haus?
Dunant: Ja.
Paul: Etwas Geld?
Dunant: Ja, auch.
Paul: Da gibt es fünf Möglichkeiten in ihr Leben zu investieren. Erstens Sie werden Künstler. Darüber verlier ich kein Wort. Ein reines Verlustgeschäft. Zweitens Sie werfen sich in die Arme der Kirche. Eine seriöse Anlage, aber bescheidene Rendite. Drittens Sie marschieren in die Armee. Aber wozu wollen Sie General werden, wenn Sie intelligent sind. Viertens das Studium. Aber wozu Bildung, wenn Sie Geld haben. Fünftens das Geschäftsleben. Sie kommen aus einem bürgerlichen Haus. Sie sind intelligent. Sie haben Geld. Machen Sie Geschäfte.
Dunant: Das machen alle.
Paul: Eben. Das ist die Vorraussetzung. Mit sich allein können Sie kein Geschäft machen. Schauen Sie sich um. Wo Sie hinsehen Geschäfte. Auf der ganzen Welt, Tag nund Nacht, nur Geschäfte Geschäfte Geschäfte. Wer da nicht mitmacht, ist entweder dumm oder faul oder unmoralisch oder alles zusammen.
Eine Uhr schlägt zwölf. Der Börsenlärm verstummt mit dem ersten Schlag. Die Börsenhändler gehen langsam ab.
Paul zieht seine Taschenuhr und vergleicht die Zeit.: Die bürgerliche Zeit! Das ist die Zukunft, junger Mann. Der bürgerliche Tag. 24 gleichlange Stunden zu 60 gleichlangen Minuten und 60 gleichlangen Sekunden. Ein sauberes Limit. Ordnung und Fortschritt. Die Sonnenzeit ist vorbei. Zeit muß exakt sein und überall gleich. Die Fahrpläne müssen stimmen.
Während ich mich mit Ihnen unterhalte, mein Lieber. Was wollen Sie da mit Ihrer Almosengesellschaft. Bei so einem Geschäft bleibt auch noch etwas für die Armen übrig.
Eine Aktiengesellschaft gehört niemand, sie gehört dem Kapital. Aber das ist das Grandiose daran, Sie dürfen Anteil nehmen. Und ein Aktionär ist ein Mensch, der Anteil nimmt. Und das Herz all dieser Wesen schlägt hier. In der Börse, Tag und Nacht ohne Pause rund um die Erde. Hier ist der Tempel der neuen Zeit. Hier ist jeder gleich. Jeder der Aktionär des anderen. Verstanden?“
Dieter Forte, „Jean Henry Dunant oder Die Einführung der Zivilisation“.
Das Wort „Armut“ geht etymologisch auf die Wortgruppe von „Erben“ zurück, und „arm“ wurde ursprünglich im Sinne von „vereinsamt, bemitleidenswert, unglücklich“ verstanden, woran sich anschloss „barmherzig“ und „erbarmen“.
Und „Armut“ ist mit dem Suffix, der Nachsilbe gebildet, mit dem auch Einöde und Heimat gebildet sind.
„Erben“ wurde verstanden im Sinne eines verwaisten, schutzlosen Kindes. Die ursprüngliche Bedeutung von Erbe ist „Waisengut“, zu dessen Wurzel auch „schwere Arbeit“ und „arm“ gehören. Die Bedeutung von „Armut“ und „arm“ ist  die von „verwaist“.
Das Wort „betteln“ schliesslich ist etymologisch verwandt mit „beten“, und beide Wörter stammen etymologisch von „bitten“.
Während in den grossen Musicalhäusern der Metropolen das Publikum z. B. der Vorführung „Les Miserables“ lauscht, basierend auf dem Roman Victor Hugos, „Die Elenden“, liegen ebendiese draussen vor der Tür, frierend, hungernd, ohne Dach über dem Kopf. Ihnen fehlen die Grundvoraussetzungen eines menschlichen – nicht nur menschenwürdigen – Daseins. So betteln immer mehr Opfer in den Städten um Almosen, und: immer mehr Erwachsene und Kinder sind auf Suppenküchen und Ausgabe von Lebensmitteln angewiesen. Verlierer werden umso fremder in unserer Gesellschaft, je ärmer sie werden. Insgesamt differenziert sich die Gesellschaft in jene, denen Stadt und Land gehört, und in jene, die als Verwaiste, Fremde in den Städten vegetieren.
Die deutsche Kultur ist historisch christlich, und der Stifter derselben, der „Menschensohn“ Jesus Christus, klärt einen Verehrer, der sich ihm anschließen will, auf, was ihn zu erwarten habe, wenn er ihm nachfolge: „Die Füchse haben Gruben und die Vögel des Himmels Nester; der Sohn des Menschen dagegen hat nicht, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Matthäus, 8, 20). Und so ist es für die „Mühseligen und Beladenen“ und die „Erniedrigten und Beleidigten“ geblieben, Verbannung oder Inhaftierung durch Adel und Bürgertum der Antike, des Mittelalters bis zur Neuzeit.
„… weil ihre Lügen sie irregeführt, denen schon ihre Väter gefolgt sind. Ich lasse Feuer los wider Juda, dass es Jerusalems Paläste verzehre. … weil sie den Unschuldigen um Geld verkaufen und den Armen wegen eines Paars Schuhe. Sie treten in den Staub das Haupt der Geringen und drängen die Elenden beiseite“, Prophet Amos, AT, 2,4
Das Wort betteln ist also etymologisch verwandt mit beten, und beide Wörter stammen etymologisch von bitten. Der Betende sucht ein Bündnis mit Gott  (Prophet Hiob), der Bittende mit der etablierten Gesellschaft, deren Zivilisationssytem seine Lage beinhaltet und ausmacht, und in der also auch, und nur in ihr, die Erlösungsmöglichkeit liegt  (bei Hiob liegt sie bei Gott).
Die christlich-demokratische Botschaft des Stifters Jesus Christus lautet: „Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht von dem ab, der von dir borgen will!“ (Matthäus,5,42). Wobei borgen damals nicht im Sinne von leihen und zurückgeben gemeint war. Borgen bedeutet ursprünglich „auf etwas acht haben, jemanden mit Zahlung verschonen“ und stammt von dem Verb „bergen“, davon „schützender Ort“, „Herberge“, und „Herberge“, „Stall“, kommt von dem Wort „Schuppen“, wovon sich ableitet „Obdach, Unterkunft, Zuflucht, Schutz, Fürsorge“, und davon ist die Wurzel das Wort „Schuhe“.

Kunst und Armut

„Kunst und Armut gehören zusammen“
Klaus Staeck
„Also ich persönlich halt nicht viel von Revolutionen, meinte Kobler. Ich hätt zwar wirklich nichts dagegen, wenn es jedem besser ging, aber ich glaub halt, dass die revolutionären Führer keine Kaufleut sind, sie haben keinen kaufmännischen Verstand.
Das Zeitalter der Kaufleut, nickte Schmitz.
Und glauben sie nicht auch, dass wir Kaufleut noch lange nicht unsern Höhepunkt erreicht haben? fragte Kobler hastig. Der Schlaf war ihm plötzlich vergangen.
Wem erzählen sie das?! rief Schmitz und fuhr dozierend fort: Hörens her: erst wenn alle menschlichen Werte ehrlich und offen vom kaufmännischen Weltbild aus gewertet werden, dann werden die Kaufleut ihren Höhepunkt erreicht haben…“; Ödön von Horváth, „Der ewige Spiesser“.
„Kunst kann Dinge sichtbar machen“
Klaus Staeck
„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar“,
Paul Klee
80 % der deutschen Künstler und Künstlerinnen leben in Armut (Bildende-Künstler, KünstlerInnen der instrumentalen Musik, der Stimme, des Tanzes, der Schauspielerei, der Schriftstellerei, Intellektuelle …).
KünstlerInnen leben mit Armut, Mangel. Auch erfolg-reiche KünstlerInnen haben Armut und Mangel teilweise erlebt, kennen gelernt, künstlerisch verarbeitet.
Im Zeitalter der Kommunikation durch die „entsetzliche Bilderflut“ (Vilém Flusser) können Bildende-Künstler dazu beitragen, durch künstlerische Bilder sichtbarer zu machen, Zeugnis abzulegen von dem, was im gesellschaftlichen Spektakel am Rande des Blickwinkels vegetiert: Armut, Hunger, Not, Angst, Gewalt, Schrecken, Fremdheit – „Das Elend der Welt“ (Pierre Bourdieu).
Das vormals romantische wie unterdrückte Ich stellt sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert sich selbst gegenüber, mit der Masse des Materials der Volksphantasie der neuen Zeit: Übergang vom Adel zum Bürgertum, von der Handarbeit zur Industrialisierung, in der Gesellschaftsphilosophie, in der Psychoanalyse, in den Bildenden-Künsten,  – das „Schwarze Quadrat“, sowie Kreis, Kegel und alle Formen, Hohlraum, leere Oberfläche, Dada: das Experiment Selbstauflösung.
„Alles hat vom Objekt seinen Ausgang genommen“, schreibt Jean Baudrillard. In der gegenwärtigen Gesellschaft des Spektakels jedoch wird alles zu Zeichen, die gegeneinander austauschbar sind, die Beaudrillardsche „Simulation“ von Politik, von Gesellschaften, Kultur und Kunst. Im Zeitalter der Globalisierung werden Kunst und Kommunikation immer mehr miteinander verbunden. Die Popart wurde, nach Duchamp, durch den Gross-Simulator von Ästhetik, Andy Warhol, neu inszeniert, indem er eine mystische Simulation der post-figurativen Welt als „anthropologisches Ereignis“ (Beaudrillard) schuf.
Paul Cezanne, um 1900
„Es steht schlecht. Man muss sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will. Alles verschwindet“,
Käthe Kollwitz, 1922
„In solchen Augenblicken, wenn ich mich mitarbeiten weiss in einer internationalen Gemeinschaft gegen den Krieg, hab ich ein warmes, durchströmendes und befriedigendes Gefühl. Freilich, reine Kunst in dem Sinne wie zum Beispiel die Schmidt-Rottluffsche ist meine nicht. Aber Kunst doch. Jeder arbeitet, wie er kann. Ich bin einverstanden damit, dass meine Kunst Zweck hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind. Viele fühlen jetzt die Verpflichtung, wirken und helfen zu wollen, aber mein Weg ist klar und eindeutig: andere gehen unklare Wege“
Otto Dix, 1963
„Das musste ich alles ganz genau erleben… Ich bin so ein Realist, wissen Sie, dass ich alles mit eignen Augen sehen muss…“
Jörg Immendorf, 1973
„In dieser propagandistischen Phase (Zeit der Proteste gegen den Vietnamkrieg) erschienen für mich elegante Überlegungen zu Stilfragen als Luxus bürgerlicher Ästheten, die sich um das Problem der Moral in der Kunst herumdrücken“
Joseph Beuys, 1983
Die einzig revolutionäre Kraft ist die Kraft der menschlichen Kreativität. Die einzig revolutionäre Kraft ist die Kunst“

Kunst, Armut, Reichtum – und das Ende der Feindbilder

„Nachdem es keine Priester und Philosophen mehr gibt, sind die Künstler die wichtigsten Leute auf der Welt“
Gerhard Richter, 1966
„Der Geist der Zeit, der Zeitgeist, wird in erster Linie durch die Zukunftserwartungen einer Gesellschaft in einer Epoche bestimmt. Das ist die Definition, auf die ich mich jetzt hier ausrichte. Vielleicht ist der Zeitgeist überhaupt nichts anderes als die Gestalt der Zukunftserwartungen einer Zeitgenossenschaft. Zwar unterscheiden sich die konkreten Lebensformen der Menschen einer Epoche erheblich, aber in ihrer Einschätzung der Zukunft gleichen sie sich doch erstaunlicherweise wieder an. Denn was die einen nämlich als Zukunft herbeisehnen, das fürchten die anderen, und auf diesem Wege wird, trotz aller Unterschiede in den Lebensformen, diese merkwürdige Übereinstimmung in vielen Haltungen und Einstellungen erklärbar. Die Furcht vor und die Hoffnung auf die Zukunft treten nämlich immer verschwistert auf, eben als Zeitgeist, dessen Kräfte alle erfassen, weil nämlich positive und negative Einschätzungen der Erwartungen sich ja wechselseitig hervorbringen und auch bedingen.
In den Entwürfen der Künstler für die dreissiger, vierziger, fünfziger, sechziger Jahre tritt uns, von heute aus gesehen, jeweils der Zeitgeist als die eigentliche Kraft der Gestaltung, des Formwillens als Vision und Wertung, als Wunsch entgegen. Diese Entwürfe zeigen uns, welches Bild einer Zukunft die Zeitgenossen hatten, und mit diesen Zukünften, die heute ja längst vergangene Zukünfte sind, den Hoffnungen und Befürchtungen konfrontiert zu sein, teilt sich uns in den Entwürfen als kollektive Kraft der Epoche, als deren Zeitgeist mit. Darin aber, so sagt man, liegt unter anderem auch ein wesentlicher Aspekt des künstlerischen Wertes solcher Arbeiten. Sie lassen uns nämlich die unsichtbaren und die unfassbaren Antriebskräfte erahnen, die die jeweiligen Zeitgenossen beherrschten“
Bazon Brock, 1989
In Platons Dialog „Symposion“ in das „Gastmal“ wird erzählt, dass sich die Göttin der Armut und Erfinderin der Künste und des gewerblichen Mittelstandes, Penia, mit dem Gott des Reichtums und Überflusses, Poros, paarte, als dieser betrunken schlief, und sie Eros gebar, den Gott der Liebe und der philosophischen Kraft.
„Der Reichtum“, griechisch Plutos, ist die letzte Komödie des griechischen Dichters Aristophanes. Der anständige Chremylos („Der kleine Räusperer“) muss in Armut leben, während zahlreiche Verbrecher ein immer größeres Vermögen anhäufen. Er wendet sich darum an das Orakel von Delphi, um zu erfahren, ob sein Sohn auch vom Weg der Tugend abkommen soll, um später ein besseres Leben als sein Vater führen zu können. Von Apollon erhält er den Rat, dem ersten Menschen, der ihm beim Verlassen des Tempels über den Weg läuft, zu folgen und ihn in seine Herberge einzuladen. Er trifft auf einen alten, blinden Mann: Plutos, der Gott des Reichtums. Weil dieser blind ist, kann er nicht sehen, wie ungerecht er seine Gaben verteilt. Um das zu ändern, lässt ihn Chremylos im Tempel des Asklepios heilen, worauf sich die Besitzverhältnisse wunschgemäss ändern. Penia, Göttin der Armut und damit Gegenspielerin, gelingt es nicht, die Bürger mit einem Vortrag über die moralische Bedeutung der Armut zu überzeugen – sie wird verjagt, Plutos dagegen gefeiert und mit einem Altar im Parthenon geehrt.
Michel Treguer: „Am Anfang unseres Gesprächs sagten Sie, es würde in den mächstigsten Ländern nur einiger bedeutender Menschen guten Willens bedürfen, um `die Menschheit wieder auf die richtige Bahn zu lenken´, um die Reichen dazu zu bewegen, die Armen zu ernähren, etc. Die Schwierigkeit besteht darin, den Mimetismus umzudrehen, ihn in den Dienst des Guten und nicht weiterhin in den des Bösen zu stellen: mehrere Menschen, alle, müssten sich gleichzeitig ändern, gleichzeitig gut und barmherzig werden …
René Girard: Es gäbe nichts Leichteres, wenn wir nur wollten: wir wollen aber nicht. Die Menschen mit ihrem konstanten Paradox, ihrer Unschuld und ihrer Schuld zu verstehen, läuft darauf hinaus, zu begreifen, dass wir alle für diesen Zustand verantwortlich sind, da wir, im Unterschied zu Christus, nicht daran sterben“.
René Girard in „Wenn all das beginnt …“, ein Gespräch mit Michel Treguer, 1994
Wir wissen alles, – über Armut und Reichtum in der Welt.
Wir wollen aber nicht, – diese abschaffen.
Was ist Wissen?: etymologisch stammt der Begriff von und bedeutet: „erblicken, sehen, gesehen haben, ich habe gesehen, erkennen, ich weiss, bewusst, Wissen, bis zu weise, Gestalt, Urbild und Gewissen.
Der Begriff Gewissen stammt von griechisch „syneidêsis“, ins lateinische Übertragen „conscientia“, und bedeutet ein verstärktes Wissen und Bewusstsein, nämlich Mit-Wissen.
Die antiken Griechen lehrten, dass es für jedes sittlich schlechte Verhalten gegenüber Göttern und Menschen einen „Zeugen“, den inneren Mitwisser gäbe. Und Sinn dieses Wissens, Bewusstseins, Mitwissens ist Verantwortung.
Verantwortung übernehmen seit Anbeginn der Geschichte der Menschheit mit-wissende Mit-Menschen. Einzelne haben seit den frühen Zeiten ihren Mitmenschen geholfen, Arme, Bettler mit Nahrung, Kleidung, Unterkunft, später mit Geld.
Und es haben sich private Gruppen gebildet, seit dem Mittelalter christliche Gruppen, die Hilfe für arme Menschen organisierten, Armenspeisungen, Suppenküchen, öffentliche Kleiderkammern, Notunterkünfte.
Und heute leistet die Lebensmittelindustrie Unterstützung mit Lebensmittel, die aus dem Handel genommen werden, und Industrie und Mittelstandsfirmen sponsern Transportfahrzeuge, Materialien, Räumlichkeiten, etc. sowie Geld und Dienstleister Werbung, Steuerberatung, Rechtsberatung, etc.
Solange nicht Politik die Verhältnisse ändert und Reiche Arme ernähren, ist diese Art Hilfe notwendig.
Was wird verdrängt? Nicht nur das Schlechte wird verdrängt, wie gemeinhin angenommen wird, sondern gerade das Gute im einzelnen Menschen wird verdrängt, weil befürchtet wird, das individuelle Gute passe nicht zum Gesell-schaftscharakter des Kampfs ums Dasein mit Ellenbogen.
DIE ZEIT, 4.5.2005, Günter Grass:
„Bei gleichzeitigem Gejammer über drohende Vergreisung und papageienhaft wiederholten Forderungen, mehr für Jugend und Bildung zu tun, leistet sich die Bundesrepublik – das immer noch reiche Land – einen Zuwachs von beschämendem Ausmass, `Kinderarmut´ genannt … die Zukunft von mehr als einer Million Kindern, die in verarmten Familien aufwachsen, bleibt weiterhin verhängt. Wer auf diesen Missstand und auf weitere ins soziale Abseits gedrängte Menschen hinweist, wird von alerten Jungjournalisten günstigstenfalls als `Sozialromantiker´ verspottet, in der Regel jedoch als `Gutmensch´ diffamiert. Fragen nach den Gründen für die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich werden als `Neiddebatte´ abgetan. Das Verlangen nach Gerechtigkeit wird als Utopie verlacht. Der Begriff Solidarität findet sich nur noch in der Rubrik Fremdwörter“.
Erich Fromm schreibt:
„Nehmen Sie ein ganz einfaches Beispiel. Ein Kaufmann, selbständig, wohl- habend, versorgt seinen eigenen Laden noch im Alter. Es kommt ein junges Mädchen in den Laden, das zum ersten Ball geht. Es sieht ein Kleid und ist ent- zückt. Auch der Kaufmann sieht: Das ist das richtige Kleid für das Mädchen. Das Kleid kostet 150 Franken, und sie hat nur 120. Da hat der Kaufmann den Impuls zu sagen: „Also, liebes Fräulein, nehmen Sie’s für 120.“ Er kann sich’s leisten, es macht ihm Freude, Freude zu machen. Er wird es aber vielleicht nicht tun, weil er glaubt, dann ist er dumm. Dann handelt er kindisch. So ist doch kein erwachsener Mann, das ist ja romantisch.
Es wäre echte Liebe im ganz persönlichen Sinne, die ihn dazu motivieren würde, diese 30 Franken Profit nicht zu machen, dafür aber die Freude zu haben, diesem Mädchen ihren Lieblingswunsch zu erfüllen. Aber das muss er unterdrücken, weil die Gesellschaft sagt, ein rationaler Mensch handelt nicht so. Und dann hat er vielleicht in der Nacht einen Traum und er träumt, dass er das Mädchen mit dem Auto überfahren hat, und es stirbt. Der Traum vergrößert hier natürlich ungeheuer, aber er zeigt ein tiefes Schuldgefühl, weil er diesem Mädchen gegenüber eigentlich grausam gewesen ist. Er hat nicht gewagt, die kleine Unkonventionalität zu begehen, nämlich das Kleid ohne Profit wegzugeben.
Eine Ursache der Schuldgefühle, mit denen wir uns herumtragen, liegt darin, dass wir nicht nur das Schlechte, sondern auch das Beste in uns verdrängen, weil es nicht in die gesellschaftlich akzeptablen Normen fällt. Wir leben in einer Gesellschaft, die auf Erfolg und Profit aus ist, und nicht in einer, die auf Liebe aufgebaut ist. Daher schließt sich der, der im Sinne der Liebe handelt, vom ge- sellschaftlichen Denken selbst aus; man wird Outsider. Der Kaufmann in unserem Beispiel kann das kaum seiner Frau erzählen, denn die würde ihm sagen: „Du Dummkopf“. Noch weniger kann er es seinen Kollegen sagen; er würde seinen Kredit verlieren, weil er halb geistesschwach ist.
Es wird nun nicht nur das Gute in uns verdrängt, sondern – wie mir scheint – zum großen Teil auch die Wahrheit. Wir leben in einer Weit, die einem Kehrichthaufen von Illusionen und Schwindet gleicht. … Wir verdrängen nicht so sehr das Schlechte in uns, sondern weigern uns, die Wahrheit zu sehen, die wir eigentlich alle kennen. Denn ich glaube, im Grunde genommen wissen wir alles.
Dafür gibt es viele Anzeichen, die das beweisen. Wenn man einem Menschen die Wahrheit auf den Kopf zusagt, dann fällt es ihm sehr schwer, sie zu verleugnen. Gewöhnlich ist die Wahrheit mit viel Bitterkeit, Hass und Entstellungen verknüpft; sagen Sie aber einem Menschen in freundlicher Weise die Wahrheit über
ihn … dann allerdings wird der Mensch gewöhnlich gar nicht ärgerlich, sondern erlebt einen Schock, einen sehr positiven Schock.
Aber leider ist das nur in Ausnahmefällen möglich, denn wenn die Menschen die Wahrheit sehen würden, müssten sie anders handeln, und wenn sie anders handein würden, dann könnten sie nicht so bleiben wie sie sind, und dann gerieten sie in einen Konflikt mit der Gesellschaft, mit ihrem Erfolgsstreben, mit vielen, vielen Dingen, die ihnen heilig sind. Und deshalb ist es fast zwangsläufig, dass man zwar die Wahrheit weiß, aber gleichzeitig dieses Wissen von der Wahrheit verdrängt.
Ich bin im Laufe von vielen Jahrzehnten zu der festen Oberzeugung gekommen, dass wir zwar viel Schlimmes in uns verdrängen – aber wer will entscheiden, was wirklich schlimm ist. Was wir aber am meisten verdrängen, das ist die Wahrheit, weil die für unsere ganze Lebensweise das Gefährlichste ist.“
Erich Fromm, „Das Undenkbare, das Unsagbare, das Unaussprechliche“,1978
„Das Elend der Welt“ – DeutschLandundLeuteBilder hofft, dem Mimetismus und dem Widerstand gegen das Reale ein wenig ins Handwerk zu puschen und zum Wachsen des Wollen mit beitragen zu können, – mit der kommunikativen Kraft der Bildenden-Kunst durch Künstler und Künstlerinnen.

Das Humanistische Manifest

Ist Frieden …

… wünschenswert und möglich?, … und zeitgemäss und modern?

Frieden hat für manche Menschen und Gruppen auf den ersten Blick etwas weltfremdes, gar `spinnertes´ und unglaubwürdiges, wird als `esoterisch´ und „Friede, Freude, Eierkuchen“ empfunden.
Einige glauben noch an Frieden und halten ihn für möglich, andere nicht mehr: „Wann hat es je Frieden gegeben?“, „Das wird nie was!“

Die allgemeinen menschlichen Erfahrungen zeigen, dass Frieden schwierig zu haben ist, sowohl im einzelnen Menschen, innerer Frieden, wie zwischen den Menschen,
zwischen Generationen, Gesellschaften und Nationen, äusserer Frieden.

Weil verborgene Gewalt in Familien und öffentliche Gewalt auf Strassen und Gewalt und Krieg und Terror in und zwischen Gesellschaften als Normalität wächst,
ist es an der Zeit `Das Prinzip Frieden´ zu erfahren, – von der Frühgeschichte und Antike, über das Mittelalter und die Neuzeit bis in die Moderne und Gegenwart,
– und zu kommunizieren als Trend.

Die Trends und Megatrends Alkoholfrei, Gesundheit, Tierwohl, Bildung/New Learning, Freiheit, Natur, Neoökologie, Selbstverwirklichung, Individualisierung,
Frauen (Female-Shift), Mobilität, Senioren (Silver-Society), New Work etc. etc. werden erweitert durch die Grundkategorie „Frieden“, und zeitgemäss modern: PEACEing.

… aber wäre Frieden wettbewerbstauglich und profitabel?, … innovativ und nachhaltig?

„Kaufen, wenn die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen spielen“, schrieb der Bankier und Finanzier der Armeen des Duke of Wellington und der Österreichischen Armee,
Carl Meyer von Rothschild.

„Aus Sicht von Thomas Böckelmann, Geschäftsführer der Veitsberg Gesellschaft für Vermögensbetreuung in Ravensburg, führt es zu nichts,
sich gegen geopolititische Katastrophen absichern zu wollen. `Für mich sind Kriege Black-Swan-Ereignisse, also unbekannte Unbekannte´, sagt der Portfolio-Manager.
Regeln gebe es da nicht. Der beste Vermögensschutz ist nach Meinung von Böckelmann ein intelligenter und ausgewogener Mix aus mehreren Anlageklassen.
Im übrigens hoffe er, `… dass die Menschheit Umgangsformen entwickelt, die militärische Konflikte weniger wahrscheinlich machen´“, Artikel von Daniel Eckert,
Autor und Wirtschafts- und Finanz-Journalist, in Tageszeitung DIE WELT, Mai 2014.

„Krieg ist aller Dinge Vater, …
aller Dinge König. Die einen erweist er als Götter, die anderen als Menschen, die einen macht er zu Sklaven, die anderen zu Freien“,
Heraklit, Fragment B 53

Zu Zeiten Heraklits von Ephesos, um 520 – 460 vuZ., waren Kriege zwischen Städten, Dörfern, Landstrichen, Inseln, Ländern/Staaten, Königreichen,
Stadtstaaten in Griechenland, Italien, Kleinasien, Vorderasien, Persien, Nordafrika etc. Normalzustand – wie heute.
Nach dem fast dreissigjährigen Peloponnesischen Krieg zwischen Athen und Sparta, 431 v. Chr. bis 404 v. Chr., begann man die Kriegszustände anzuzweifeln,
durch die Kriege war die Demokratie in Gefahr geraten und es gab mehrere Versuche die Idee des „Allgemeinen Friedens“ in eine andauernde „Friedensordnung“ zu wandeln:

„Dies, Athener, ist also die Unterscheidung, die ich treffe zwischen den beiden: Friede bedeutet Sicherheit für das Volk, Krieg unvermeidlichen Verfall“,
Thukydides, 460 – 395 v.u.Z., Athenischer Historiker, „Geschichte des Peloponnesischen Krieges.

„Alle Kriege entstehen um den Besitz von Geld und Gut“,
Platon, 427/8 – 347/8 v.u.Z., Athener Philosoph, „Politeia“/“Nomoi“.

„Denn niemand ist doch so unvernüftig, dass er , vor die Wahl gestellt, den Krieg dem Frieden vorzöge, denn im Frieden begraben die Söhne ihre Väter,
im Krieg aber die Väter ihre Söhne“
Lydische König Kroisos zu Perserkönig Kyros, Herodot, 1, 87, 2ff zitiert Homer, „Illias“ 24, 483 f

Mit „Krieg ist aller Dinge Vater …“ hatte Heraklit keineswegs für Krieg plädiert. Vielmehr weil das Schöpferische nur durch Gegensätze möglich ist,
Gegensätze in Spannung zu- und miteinander, Dialektik, Werden, Bewegung, Prozess-Denken, Widerspruch in sich … tritt sein Philosophieren als Selbstsuche
des Menschen nach Harmonie auf … weil „seine eigene Art ihm sein Dämon“ ist.
Daher das Wort von Willi Brand: „Nicht ist Krieg Vater aller Dinge sondern Frieden“.

So der Frieden der inneren Ruhe und der Friedfertigkeit mit anderen Menschen im Christentum: „Friede sei mit euch!“, „Selig sind die Friedfertigen“,
„Selig sind die Friedensstifter, sie werden Gottes Söhne heißen“, und im Johannesevangelium (20,19-29) heißt es zu Jesus von Nazareth:
„Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus,
trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!“

„Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen“
Albert Einstein, 1879 – 1955

„Aggressionen waren zu der Zeit, als wir in Höhlen lebten vermutlich ein Vorteil. Wir brauchten sie, um mehr Nahrung zu bekommen, um unser Territorium zu verteidigen
oder mehr Partner zu gewinnen, mit denen wir uns fortpflanzen konnten. Doch jetzt drohen unsere Aggressionen uns alle zu zerstören.
Wir müssen unsere Aggressionen durch Mitgefühl ersetzten.“
Stephen Hawking, 2015

… ist Frieden innerlich oder äusserlich zu verwirklichen?, … und überhaupt intelligent und vernüftig?

Immanuel Kant trennt Freiheit in psychologische Freiheit, die abhängig ist von inneren Zwängen und niedrigen Affekten, und in transzendentale Freiheit,
welche dem Menschen selbständiges Handeln ermöglicht, und schliesslich praktische Freiheit, das moralische Gesetz, welches notwendig einen freien Willen setzt,
als autonome Selbstgesetzgebung: Vernunft und Verantwortung.

„Zur inneren Freiheit werden zwei Stücke erfordert: seiner selbst in einem gegebenen Falle Meister und über sich selbst Herr zu sein, d. i. seine Affekte
zu zähmen und seine Leidenschaften zu beherrschen“,
Immanuel Kant, „Die Metaphysik der Sitten“, §539; 1797.

„Das praktische Gesetz ist die Gesetzmäßigkeit, die herrschen würde, wenn bei allen vernünftigen Wesen die Vernunft die volle Gewalt über den Willen hätte,
und nicht unsere Neigungen.“ … „Der gute Wille ist allein durch das Wollen gut.“
Immanuel Kant, „Was ist Aufklärung?“.

Blaise Pascal lehrte, dass der Gebrauch des Verstands nur mit einer „Logik des Herzens“ möglich wäre.

Adam Smith erklärte zu Tugenden: Klugheit, Gerechtigkeit und Güte. Mitmenschlichkeit, Sympathie ist seine sittliche Grundlage,
derart für einen wirtschaftlichen Markt mit einer Harmonie zwischen Produktion, Lohn, Preis, Konsum.

„Der Freund des Gesprächs aber ist der Freund des Friedens, der nur auf dem Gespräch der Menschen miteinander ruhen kann“,
Richard von Weizäcker, Rede auf dem Weltkongress der Germanisten in Göttingen 1985

„Da Krieg in den Köpfen der Menschen entsteht, muss auch der Frieden in den Köpfen der Menschen verankert werden …
„Frieden entsteht in den Köpfen der Menschen“, UNESCO, „Die Natur des Konflikts“

Frieden, Peaceing soll nicht nur, wie vom Philosophen Baruch de Spinoza um siebzehnhundert erstmals angesprochen als „Abwesenheit von Krieg“, Gewalt,
erfahren werden, vielmehr Friedlichkeit, PEACEing „die aus der Stärke der Seele entspringt“ (Spinoza),
in Familien, in öffentlichen Räumen, zwischen Gesellschaften und Völkern – ohne Zusammenhang mit Gewalt kommuniziert werden.

Die Geschichte friedlichen Geistes und Handels, Bewusstsein für inneren Frieden des einzelnen Menschen und für äusseren Frieden zwischen Menschen,
Gesellschaften, Völkern ist so alt wie die Geschichte von Gewalt und Krieg –
Immanuel Kant in: „Was ist Aufklärung?“

„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“,
„Wage zu Wissen“,
„Friede ist das Meisterstück der Vernuft“
Immanuel Kant, „Zum ewigen Frieden“,
2015/16 vor 220 Jahren.

… aber ist Frieden denn geil und fun?, … anregend und bildend? … lebendig und kommunikativ?

„Wer selbst keinen inneren Frieden kennt, wird ihn auch in der Begegnung mit anderen Menschen nicht finden“ … „innere Abrüstung“,
Tendzin Gyatsho 14. Dalain Lama

„Wenn die Macht der Liebe über die Liebe zur Macht siegt, wird die Welt Frieden finden“,
Jimmi Hendrix, 1942 – 1970

„Ein guter Kopf und ein gutes Herz sind immer eine großartige Kombination“,
Nelson Mandela

„An den Frieden denken heißt, an die Kinder denken“,
Michail Gorbatschow

Aber nicht nur Macht und Ohnmacht und Gewalt und Krieg haben Geschichte,
auch Hoffnung, Phantasie, Vernunft und Frieden.

Seit tausenden Jahren machen Menschen Geschichte. Geschichte mit der sie sich selbst das Fürchten lehren. Macht und Ohnmacht,
Krieg und Gewalt und Kommunikation derselben zwischen Menschen, Gesellschaften, Völkern zieht sich durch die Geschichte.
Und:
Weil gegenwärtig das Zivilisationsniveau und der Lebenssinn sinkt, ist es an der Zeit die Geschichte des bisher ungeläufigen Prozesses
von Jahrtausende Kultur- und Zivilisations-Geschichte der Friedensbemühungen von Menschen und Menschengruppen und Völkern und ihre nie
geendeten Wünsche und Gedanken, Worte und Schriften, Künste und Taten … für Frieden zu erfahren und zu kommunizieren:

… das menschliche Geschlecht im Fortschreiten zum Besseren immer gewesen … und so fernerhin fortgehen werde“,
Immanuel Kant, „Streit der Fakultäten“.

 

Anhang (in Arbeit)

Die Geschichte des Erinnerns ist die Zukunft der Geschichte

Seit tausenden Jahren machen Menschen Geschichte. Geschichte mit der sie sich selbst das Fürchten lehren. Macht und Ohnmacht, Krieg und Gewalt
und Kommunikation derselben zwischen Menschen, Gesellschaften, Völkern zieht sich durch die Geschichte.

Diese Geschichte wird verwaltet, erforscht und präsentiert, gelehrt, verschiedentlich ritualisiert, in Büchern, Archiven, Museen, Ausstellungen.
Derart wird Geschichte auch definiert als Produkt von rückbesinnender Geschichtsforschung und belebt tote Materie. Diese Art Wissensspeicherung
birgt die Gefahr von Identitätszwang der Archive in sich.

Das Leben der Menschen wird in der gegenwärtigen Epoche des Befremdens angesichts ekstatischer Langeweile und Überdruss bis zu Sinnlosigkeitserregungen
selbst zur musealen Ausstellung, fremd (xenologisch) wie das Da-sein.

In den alten Zeiten des beginnenden Denkens und Dichtens verliessen sich die Denker und Dichter hinsichtlich des gesprochenen Wortes und der mündlichen
Überlieferungen auf ihr Gedächtnis. Es gab keine Bücher, keine Ton- und Filmkommunikation.
Das „Erinnernde“ und „Sinnende“ erfuhr höchsten Respekt in der mythologischen Konstruktion der Musen als Göttinnen der schönen Künste, der Musik, Literatur,
Philosophie, der Astronomie und der Geschichte, die durch den höchsten Gott Zeus selber mit der Titanin Mnemosyne als deren Töchter gezeugt wurden.
Der Welt den Kopf gerader rücken helfen ist Aufgabe mit der „Weisheit für Übermorgen“, wie Nietzsche in seinem Nachlass schreibt, – für das Wohl der Menschheit.

Reflexion über Geschichte der Gesellschaften ebnet einen Kontext der individuellen Lebensgeschichten und Einsichten in Wesen von Existenz eröffnet Geschichtsbewusstsein,
welches das selbständige Denken und autonome Handeln befördert.

Der Begriff „autonom“ steht für Willensfreiheit, Freier-Wille. Während „alle Dinge müssen, ist der Mensch das Wesen, welches will“,
schreibt Schiller in, „Über das Erhabene“.
Die erste historisch bekannte Reflexion über Wollen, Wille, Freier-Wille leistete der antiken Dichter Homer, welcher um etwa 700 vuZ. den Begriff „hekóon“ einführte,
der soviel wie freiwillig, aus eigener Absicht, nach seiner Natur handelnd bedeutet. Der Philosoph Platon schreibt, dass der freiwillig Handelnde nichts Schlechtes tun kann,
da der Begriff freiwillig keine relevante Unwissenheit voraussetzt, oder, wie sein Schüler Aristoteles ergänzt, auch keinen Zwang. Freiwillig ist freier Wille aufgrund von Wissen
um dasjenige, wofür man freiwillig eintritt und handelt.

Der Atomist Demokrit entwickelt um 400 vuZ. über die indifferenten Triebe hinaus ein Sollen als gesellschaftlich zwischenmenschlich Wahres und Gutes, Einsicht in sittliche Gesinnung,
und zwar unabhängig davon, ob es angenehm, erfreulich, fun und einträglich, profitabel ist oder nicht.

Sokrates dann setzte Freiheit als Begriff, in dem diese als das beste Tun gelten sollte. Der Mensch wurde bestimmt als freies Wesen, welches seine Entscheidungen für oder
gegen sittliches Handeln selbstständig treffen kann, in dem er durch Selbstforschung – „Erkenne dich selbst“ – und Selbstbeherrschung zur Autonomie gelangt.
Jedoch ist es nicht das Wissen des Menschen, welches zur Wahl des Wahren führt, sondern vielmehr das Wissen um das Nichtwissen, „denn unser Wissen ist Stückwerk“, Bibel, 1. Korinther.

Das altgriechische Wort „autónomos“ führte um 450 vuZ. der Dichter Sophokles ein. Autonomie charakterisiert im gesellschaftlichen Zusammenleben höchste sittliche Freiheit,
Selbstständigkeit, Willensfreiheit.
Das Wahre, das Gute, Freiheit, Selbstbewusstsein, Ethik, Tugenden, das Wissen wurden zu gesellschaftspolitischen Idealen zwecks Zusammenlebenkönnen (Aristoteles) der Menschen.

Etymologisch stammt der Begriff Wissen von und bedeutet erblicken, sehen, erkennen, ich weiss, bewusst, weise, Gestalt, Urbild und Gewissen.
Der Begriff „Gewissen“ stammt von griechisch „syneidêsis“ und bedeutet ein verstärktes Wissen und Bewusstsein, nämlich „Mit-Wissen“.
Die antiken Griechen lehrten, dass es für jedes sittlich schlechte Verhalten gegenüber Göttern und Menschen einen „Zeugen“, den inneren „Mitwisser“ gäbe.
Und Sinn dieses Wissens, Bewusstseins, Mitwissens ist Verantwortung.

Wiederholung:
Immanuel Kant trennt Freiheit in psychologische Freiheit, die abhängig ist von inneren Zwängen und niedrigen Affekten, und in transzendentale Freiheit,
welche dem Menschen selbständiges Handeln ermöglicht, und schliesslich praktische Freiheit, das moralische Gesetz, welches notwendig einen freien Willen setzt,
als autonome Selbstgesetzgebung: Vernunft und Verantwortung.
„Zur inneren Freiheit werden zwei Stücke erfordert: seiner selbst in einem gegebenen Falle Meister und über sich selbst Herr zu sein, d. i. seine Affekte
zu zähmen und seine Leidenschaften zu beherrschen“,
Immanuel Kant, „Die Metaphysik der Sitten“, §539; 1797.
„Das praktische Gesetz ist die Gesetzmäßigkeit, die herrschen würde, wenn bei allen vernünftigen Wesen die Vernunft die volle Gewalt über den Willen hätte,
und nicht unsere Neigungen.“ … „Der gute Wille ist allein durch das Wollen gut.“ Immanuel Kant, „Was ist Aufklärung?“.
René Descartes hatte die Selbstständigkeit des Denkens als Selbstgewissheit konstatiert: Ich denke, also bin ich.
Blaise Pascal lehrte, dass der Gebrauch des Verstands nur mit einer „Logik des Herzens“ möglich wäre.
Für G. W. Leibniz war die Vernunft grösser als die Sinne. Dem Reichen schrieb er mehr Möglichkeiten zum freien Handeln zu, als dem Armen.
Adam Smith erklärte zu Tugenden: Klugheit, Gerechtigkeit und Güte. Mitmenschlichkeit, Sympathie ist seine sittliche Grundlage,
derart für einen wirtschaftlichen Markt mit einer Harmonie zwischen Produktion, Lohn, Preis, Konsum.
J. G. Fichte verstand Freiheit als Bewusstsein selbst und als Grundsatz, wovon sich Sein und Naturgesetze ableiten und die Sittengesetze.
Auch F. W. J. Schelling war der Auffassung, dass Freiheit den Naturgesetzen Wirksamkeit gebe, und dass Freiheit das Gute oder das Böse ermögliche.

Friedensbotschaften – europäisch und exotisch

Exotik, exotisch, griechisch εξωτικός exōtikós, lateinisch exoticus gleich „ausländisch“, „auswärtig“, „fremdländisch“, „fremdartig“ – und so werden Menschen, Ideen, Kulturen, Sitten bezeichnet die als fremd, aussergewöhnlich, auch kurios, dubios und verdächtig wahrgenommen werden – von der europäischen, der deutschen Bürgerlichen Gesellschaft.

 „Frieden entsteht in den Köpfen der Menschen“
UNESCO, „Die Natur des Konflikts“

In den neunzehnhundertsechziger und -siebziger Jahren

verbreiteten sich weltweit Friedensbewegungen. Es ging um Selbsterkenntnis, Selbstverwirklichung, sich selbst finden, inneren Frieden erreichen und äusseren Frieden schaffen innerhalb der Gesellschaften und zwischen den Staaten. Nicht wenige westliche Identitätssucher missverstanden ihre eigene Suche bei „Gurus“ und in „Ashrams“ und bei Psychotherapien etc. und manche machten später für ihre Enttäuschungen über mangelnde `Erleuchtung´ und mangelnden Seelenfrieden Gurus, Maharishis, Maharajis, Jogis, MeisterInnen, Master, LehrmeisterInnen, ExpertenInnen, Autoritäten, ProfessorenInnen, Weise und PhilosophenInnen, PsychologenInnen, PsychotherapeutenInnen, PsychoanalytikerInnen verantwortlich. Andere fanden ihr Heil und hüteten es lebenslang.

Sie erkannten nicht, dass es in allen Bereichen einzelne „Schwarze-Schafe“, „Spinner“ und „Quaksalber“ gibt und sie selbst dazugehören.

„Frieden beginnt im Kopf“, schreibt die Katholische-Friedensstiftung und „Erziehung zur Friedfertigkeit“ in der Pädagogik und Friedfertigkeit in der Familie und in der Schule und entsprechende Gesetzgebung wurde geschaffen, zahlreiche staatliche, kirchliche und private Institute und Verbände sowie Initiativen für Friedensforschung (jedoch erst im Jahr 2000 wurde dann das „Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung“ erlassen).

Unbekannte und berühmte MusikerInnen und SchauspielerInnen und KünstlerInnen und Intellektuelle und UnternehmerInnen … Menschen unterschiedlicher Herkunft und Bildung und Einkommen entdeckten in den neunzehnhundert sechziger und -siebziger Jahren neue Kulturen ausserhalb der westlichen, ein Vorbild war Hermann Hesse mit seinem „Siddharta“ und dem geheimnisvollen Indien, in den achtziger Jahren lebte Günter Grass in Kalkutta; der Philosoph Peter Sloterdijk erntete Abwehr in der akademischen Welt, weil er sich ernsthaft mit ostasiatischen Geisteswelten befasste; ähnlich erging es dem Sozialphilosophen und Psychoanalytiker Erich Fromm u.v.a. …

Bereits der deutsche Dichter Gottfried Herder schwärmte Ende des 18. Jahrhunderts von den Hindus als „den sanftmütigsten Stamm der Menschen“.
Der Philosoph Friedrich Schlegel sah Indien als Inbegriff des Poetischen.
Der französische Schriftsteller Romain Rolland schrieb: „Wenn es einen Ort gibt, wo alle Träume seit den ersten Tagen, da der Mensch zu träumen begann, eine Heimat gefunden haben, dann ist es Indien“.

Das geheimnisvolle Indien war schon in der Antike Mythos und Sehnsuchtsland: Fakire auf Nagelbetten, Schlangen die durch Flötenspiel hypnotisiert wurden, meditierende Mönche, Gurus die in Höhlen lebten und über Gott und das Universum philosophierten, Hinduismus und Buddhismus entwickelten. Wissenschaftler erfanden die Zahl „Null“ und Rechenversionen, das Schachspiel, und sie entwickelten Philosophie und Dichtung in Upanishaden, Bhagavadgita und Kamasutra, und sie schufen neue Erkenntnisse in Astronomie und Höchstleistungen in Architektur, Tempel und das Taj Mahal … Händler und Eroberer kamen nach langen Reisen und Märschen über Bergketten und asiatischen Steppen und über Meere aus Europa und China und anderswo: Griechen, wie Alexander der Große, Mongolen und Hunnen, Seefahrer wie Vasco da Gama … und in der Neuzeit kamen die Kolonialmächte.

Kolonialherr Winston Churchill nannte den Friedensstifter Mahatma Gandhi einen „halbnackten Fakir“, und sagte: „Indien ist nur ein geografischer Ausdruck, es ist so wenig ein Land wie der Äquator“.

Heute strebt Indien zur Weltmacht. Die deutsche Bundesregierung und der Bundespräsident holen hochqualifizierte indische Fachkräfte als „Gastarbeiter“ nach Deutschland.
Wegen des Pristermangels in der katholischen Kirche kommen sonntags in Kirchen ausländische Priester zum Einsatz, davon über dreihundert indische Priester.

Der Philosoph Friedrich Nietzsche spricht von der „Weisheit für Übermorgen“. Und der Philosop Peter Sloterdijk schreibt aktuell in, „Der Denker auf der Bühne“: „Wer einen Weg zu sich selbst sucht, träumt von einem Zustand, in dem er sich selbst ertrüge. Daher ist keine Suche nach dem wahren Selbst eine theoretische; die Suche entspringt dem Drang des Lebendigen nach einer `Wahrheit´, die unerträgliches Leben erträglich machte“. Und der von Churchill verkannte Friedensstifter Mahatma Gandhi konkretisiert: „Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg“.

Hatten die antiken Völker die Welt noch gedanklich sphärisch umrundet und transzendiert, umrundeten im Mittelalter die Entdecker mittels Weltumseglungen mit Schiffen in persona den Globus und machten sich die Erde untertan. Und schliesslich wird der Globus in der Moderne durch Flugzeuge und Schiffe, Kapitalströme und Signale, Informationen, elektronische Kommunikation, dem Internet in einer Weise umrundet, das diese gleichsam eine zweite Erdatmosphäre bildet.
Und in der nun globalisierten Welt sind menschliche Gefühle und geistige Anstrengungen, Arbeitsprozesse und Lebensverhältnisse, Kommunikationsprozesse und Konsumverhältnisse, Kulturentwicklungen und Zivilisationsprozesse tief greifenden Veränderungen unterzogen.
Der Zeitgeist fühlt sich nicht wohl. Als gesunder Menschenverstand enthält er die Maximen seiner Zeit, in der alle Vorurteile seiner Zeit enthalten sind, und die Denkbestimmungen regieren ihn, ohne dass er ausreichend Bewusstsein, Reflexion darüber hat.

Wie es in den neunzehnhundertsechziger und -siebziger Jahren
Gurus, Maharishis, Maharajis, Jogis, MeisterInnen, Master, LehrmeisterInnen, ExpertenInnen, Autoritäten, ProfessorenInnen, Weisen und PhilosophenInnen, PsychologenInnen, PsychotherapeutenInnen, PsychoanalytikerInnen und ihre Drogendealern erging, erging es anfangs und teilweise und auch `hinter´ populär so genannter `vorgehaltener Hand´ aktuellen `Spitzen des Eisbergs´ der Friedensbotschaften – von den verstorbenen im 20. Jahrhundert zu schweigen – , Männer und auch Frauen!, Weisse und alle anderen Hautfarben!, Östliche: China, Japan, Indien etc., Afrikanische, Islamische, Jüdische, Buddhistische, Hinduistische, Taoistische Philosophien, Religionen, Weltanschauungen, Mentalitäten …….

Aktuelle Friedens-Stifter, -Lehrer, -Propheten, -Botschafter, -Förderer, -Freunde als `Spitzen des Eisbergs´ Frieden sind –
etwa 300 wichtige aktuelle Spitzen des Jahrtausende wachsenden Eisbergs „Geschichte des Friedens“ …, u.a.:

Liu Xiaobo
Jane Goodall
Yo Yo Ma
Midori
Dieter Senghaas
Jakob von Uexküll
Ekkehart Krippendorff
Muhammad Yunus
Kofi Annan
Jeremy Gilley
Desmond Tutu
Prem Rawat
Tendzin Gyatsho 14. Dalain Lama
Sri Sri Ravi Shankar
Sri Chinmoy
Kailash Satyarthi
Uri Avnery
Jody Williams
Ellen Johnson Sirleaf
Leymah Gbowee
Tawakkol Karman
Aung San Suu Kyi
Malala Yousufzai
u.v.a.

Harmonie und Kontinuität mit der Vergangenheit

Die Dienstleistungen des Orakels zu Delphi wurden noch bis etwa 400 n. Chr. von Wissenschaft, Religion, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Militär, Kultur, Kunst, Medien in Anspruch genommen, und gleichzeitig dominierte längst griechische, römische, arabische, jüdische, orientalische, asiatische, christliche Begriffs-Logik.
Kulturvölker Nordafrikas, Asiens, Chinas, Indiens uva. lehrten inneren und äußeren Frieden:

– im fünftausend Jahre alten chinesischen Taoismus der „Harmonische Ausgleich“: „Andere erkennen ist weise. Sich selbst erkennen ist Erleuchtung“, Lao-tse um 600 vuZ.,

– der „Weg der Mitte“ des Buddhismus und der „inneren Abrüstung“, wie es der 14. Dalai Lama formuliert,

und Siddhartha Gautama Buddha, um 500 vuZ.: „Nicht außerhalb, nur in sich selbst soll man den Frieden suchen. Wer die innere Stille gefunden hat, der greift nach nichts, und er verwirft auch nichts“,

– das friedenstiftende „Schalom“ im Judentum, das versöhnende arabische „Salam“ im Islam, und eben der Frieden der inneren Ruhe und der Friedfertigkeit mit anderen Menschen im Christentum: „Friede sei mit euch!“, „Selig sind die Friedfertigen“, „Selig sind die Friedensstifter, sie werden Gottes Söhne heißen“,

– der etwa viertausend Jahre alte Hinduismus nennt die „Notwendigkeit des Friedens“ mit sich selbst und mit anderen Menschen.

Der Apostel Johannes (8,7) fügt hinzu „Derjenige von euch, der ohne Sünde ist, soll als erster einen Stein auf sie werfen“.

Und der Apostel Markus (12,31): „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“.

Im Johannesevangelium (20,19-29) heißt es zu Jesus von Nazareth: „Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!“

 

Zur harmonischen Kontinuität mit der Vergangenheit sagt der Friedensbotschafter Prem Rawat:

„Du musst erkennen, wer Du wirklich bist. ‚Erkenne Dich selbst‘. Es wird Dir Freude geben, es wird Dir Klarheit verschaffen, es wird Dich verstehen lassen. Du wirst wissen, wer Du bist und wie gesegnet Du bist. Das ist es, was ‚Erkenne Dich selbst‘ bedeutet.“ – „… lautet meine Friedensbotschaft, dass Frieden in uns ist. In Wirklichkeit ist es gar nicht „meine“ Botschaft … das haben schon viele gesagt“,
Prem Rawat über seine Friedensbotschaft im Gespräch mit Jeremy Gilley.

„Frieden ist kein Luxus. Für Frieden gibt es keine Alternative. Frieden ist elementar für das Leben und das Wohlbefinden eines Menschen“ … „Frieden beginnt bei jedem von uns“ …

„Wenn wir die Macht haben, ein derartiges Chaos auf dieser Erde anzurichten, dann steht es sicherlich auch in unserer Macht, der Welt Frieden zu bringen.“

„Manche Menschen sagen, Frieden sei die Abwesenheit von Krieg; manche sagen, Frieden sei die Befreiung von allen Problemen der Welt. Frieden ist mehr als politischer Frieden. Frieden ist eine grundlegende Lebenserfahrung, die jedem Menschen innewohnt … Ich glaube, Frieden wird die größte Errungenschaft der Menschheit sein“.
Prem Rawat

„innere Abrüstung“ … „am Ende werden Frieden, Vernunft und Freiheit die Oberhand gewinnen“,
Tendzin Gyatsho 14. Dalai Lama

„Wenn du dich in Situationen der Ungerechtigkeit neutral verhältst, hast du dich auf die Seite des Unterdrückers gestellt“.
„Ohne Vergebung kann es keine Zukunft in der Beziehung zwischen Individuen oder zwischen Nationen geben“.
„Sei nett zu den Weißen sie brauchen dich, um ihre Menschlichkeit wieder zu entdecken“.
Desmond Mpilo Tutu

„Wirklicher Friede bedeutet auch wirtschaftliche Entwicklung und soziale Gerechtigkeit, bedeutet Schutz der Umwelt, bedeutet Demokratie, Vielfalt und Würde und vieles, vieles mehr“.
Kofi Atta Annan

„Ein Traum, den du alleine träumst, bleibt nur ein Traum. Ein gemeinsamer Traum ist Realität.“
„Wir sind an einem Punkt in der Menschheitsgeschichte angelangt, an dem wir aufwachen und erkennen müssen, daß die einzigen Menschen, die die Welt retten können, wir selbst sind“
Yoko Ono, Imagine Peace Manifesto“, 2011

„Globalisieren wir das Mitgefühl. … Demokratisieren wir die Bildung“
Kailash Satyarthi

„Ich sehe eindeutig das Ende einer grausamen, dunklen Geschichte, die so vielen Völkern und Nationen Horror, Tragödien, Zerstörung und Unglück gebracht hat“
Tawakkol Karman

„Lasst uns genau hier, genau jetzt eine bessere Zukunft bauen“ – „Ein Kind, eine Lehrkraft, ein Stift und ein Buch können die Welt verändern“
Malala Yousafzai

„Du kommst mit jenem nicht zurecht? Schließe Frieden mit ihm! Zuhause? Schließe Frieden! In der Gemeinde? Schließe Frieden! An der Arbeit? Schließe Frieden! Wir alle sind zu konkreten Gesten der Brüderlichkeit aufgerufengegenüber dem Nächsten, besonders denen gegenüber, die unter familiären Spannungen oder anderen Konflikten zu leiden haben. Diese kleinen Gesten haben einen großen Wert: Sie können Samenkörner der Hoffnung sein, die neue Wege und Perspektiven für den Frieden eröffnen.“
Papst Franziskus

„An den Frieden denken heißt, an die Kinder denken“
Michail Gorbatschow

„Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg“
Mahatma Gandhi

„Wenn die Macht der Liebe über die Liebe zur Macht siegt, wird die Welt Frieden finden“
Jimmi Hendrix

„Frieden beginnt im Kopf“
Katholische-Friedensstiftung,

„Ein guter Kopf und ein gutes Herz sind immer eine großartige Kombination“
Nelson Mandela

„Da Krieg in den Köpfen der Menschen entsteht, muss auch der Frieden in den Köpfen der Menschen verankert werden“
UNESCO

„Der Guru, so viel verstehe ich, hat eine schöne Schrift. Und das sind schöne Wörter. Das ist Sanskrit. Das Latein Indiens. Die alte Sprache. ‚Mantras‘, sagt er. ‚Du weißt, was das ist?‘ Mantras sind Wörter, die doppelt wirken. Inhaltlich wie akustisch. Sanskrit hat es fertiggebracht, dass der Klang des Wortes genau das mit dir macht, was es bezeichnet.
‚Shanti‘ etwa heißt Frieden. Wenn du hundertachtmal hintereinander ‚Shanti‘ sagst, fühlst du den Frieden.
Es ist ähnlich wie mit der Musik. Ein Ton hat Macht. Er verändert Stimmungen. Erzeugt Schwingungen. Er kann entspannen, erregen, Angst auflösen. Ich kann das bestätigen. Ich habe vor etwa drei Jahren von einem Sadhu in Nepal ein Mantra gegen Angst bekommen. Kleines Geschenk mit großer Wirkung. Was immer mich ängstigt, ob Mensch, Tier oder Türsteher, ich brauche nur dieses Mantra zu murmeln, und die Angst löst sich wie Brausepulver auf.“
Helge Timmerberg

„Aggressionen waren zu der Zeit, als wir in Höhlen lebten vermutlich ein Vorteil. Wir brauchten sie, um mehr Nahrung zu bekommen, um unser Territorium zu verteidigen oder mehr Partner zu gewinnen, mit denen wir uns fortpflanzen konnten. Doch jetzt drohen unsere Aggressionen uns alle zu zerstören. Wir müssen unsere Aggressionen durch Mitgefühl ersetzten.“
Stephen Hawking

 

Exotik, exotisch,
griechisch εξωτικός exōtikós, lateinisch exoticus gleich „ausländisch“, „auswärtig“, „fremdländisch“, „fremdartig“ – und so werden Menschen, Ideen, Kulturen, Sitten bezeichnet die als fremd, aussergewöhnlich, auch kurios, dubios und verdächtig wahrgenommen werden – von der europäischen, der deutschen Bürgerlichen Gesellschaft.
Auch Inder, Araber, Chinesen und andere Völker können über Wissen verfügen, nicht nur vortragende, redende, lehrende, schreibende Europäer der gescheiterten Tradition der „Aufklärung“.

Und Guru? Im europäischen Sprachgebrauch MeisterInnen, Master, LehrmeisterInnen, ExpertenInnen, Autoritäten, ProfessorenInnen, Weise und PhilosophenInnen, PsychologenInnen, PsychotherapeutenInnen, PsychoanalytikerInnen und PriesterInnen, ProphetenInnen, MissionareInnen, SchriftstellerInnen etc. etc.
Im Tibet des 14. Dalai Lama steht der Titel „Lama“ für den Sanskrit-Titel „Guru“ („gewichtig“).
Der 14. Dalai Lama sagt über die Bedeutung des Gurus: „Bringt ihnen keinen blinden Glauben entgegen, aber auch keine blinde Kritik“.

Und Ashram? Kein Ort für wilde Phantasien, vielmehr „Ort der Anstrengung“, ähnlich wie Internat, Universität, Schulungs-Seminar-Centren, christliche Ashrams in Indien … Ashrams sind auch Wohnsitze, u.a. von Mahatma Gandhi, Ravi Shankar, Sri Chinmoy …

Der Begriff Guru wird in Deutschland u.a. für tatsächlich oder vermeintlich bedeutsamen Personen und Leistungen, Berufen, Tätigkeiten benutzt … so gibt es von Statistik-Gurus über Fitness-Gurus und Musik-Gurus bis Wirtschaft-Gurus und Polit-Gurus zu allem und jedem ein „Guru“, – oder auch „Häuptling“ und „Oberindianer“, auch „Obermufti“, „Großer-Meister“ etc.

Der also von Churchill verkannte „Guru“ Friedensstifter Mahatma Gandhi konkretisiert:

„Es gibt keinen Weg zum Frieden,
denn Frieden ist der Weg“.